18.11.2014 | Trauerfeier für Anette

Life is what happens to you while you´re busy making other plans.
Soll John Lennon gesagt haben.

Was hatten wir uns alles noch vorgenommen.

Und nun scheint es so zu sein, dass es niemand mehr gibt, der den Karren mit solcher Kraft zieht, wie Anette es getan hat.

Bernd Häusler – unser langjähriger Regenbogen-Anwalt seit „schon immer“ –  der sehr traurig war, dass er heute verhindert ist, sagte mir am Telefon: Mut, Klugheit, Nachdrücklichkeit, nie aufgeben und dabei vor allem den Humor nicht verlieren, grad wenn es gar nicht weiterzugehen schien, das hat Anette ausgemacht.

Wir teilen eine reiche Geschichte, wir blicken auf Höhen und Tiefen zurück. Die Kraft des Trotz alledem kam oft von Anette. Es hat sie mehr gekostet, als sie uns manchmal wahrnehmen ließ.

Das galt im Großen wie im Kleinen. In den vielen Kontakten, die ich in den letzten Wochen haben durfte, wurde Anette als Gesicht, als Herz, als Kopf, als Mutter der Regenbogenfabrik gesehen und es gibt wahrlich genug Gründe, die einen dazu bringen können, das so zu sehen. Wie viel an Unterstützung sie im Einzelnen bei der Agentur für Arbeit lockergemacht hat. Wie vielen sie zu einer angemessenen Wohnung verholfen hat:: Anette hat in der Auseinandersetzung ums Große Ganze die „Kleinigkeiten“ nicht aus den Augen verloren.

Und Mut gestärkt, das hab ich persönlich erfahren, als ich vor fünf Jahren feststellen musste, dass sich in mir Strukturen entwickelt hatten, die mir ans Leben hätten gehen können. Was von mir den Namen Egon erhielt, um das Wort Magenkrebs nicht dauernd in den Mund nehmen zu müssen, verlangte schmerzhafte Distanzierung, erzielt mit chirurgischem Geschick. Da kam ich wirklich an eine Grenze. Anettes Humor hat mir die Kraft gegeben, den Widrigkeiten zu trotzen.

Michael Preuß, der Anette seit Studienzeiten kannte, hat es so gut geschrieben: Für Anette war die kapitalistische Verwertungslogik nicht „alternativlos“ und das Leben und Arbeiten in der Regenbogenfabrik Teil der Bewegung für eine solidarische Ökonomie.

Das ist es, was uns hier umtreibt und zusammenhält. Unsere Kraft steckt in den Beziehungen und Freundschaften, gewachsen in all den Jahren der gemeinsamen Arbeit.
Die Trauerzeit in den letzten Wochen hat uns das wieder gezeigt, was im Alltag manchmal untergeht: Wir gehören zusammen, die Regenbogenfabrik wird weiterbestehen. Auch ohne Anette, aber mit ihren Ideen im Herzen, können wir die nächsten Schritte meistern.

Halten wir also Ausschau nach den Menschen, die ihre und unsere Vision teilen, machen bei uns die Türen weit auf, um sie willkommen zu heißen, um Anettes und unsere Sehnsucht in die Zukunft zu tragen.

Die Unbedingtheit weiter im Herzen tragen und dabei achtsam sein für uns und die Grenzen und Fähigkeiten, die Last umverteilen auf viele und verschiedene Schultern.
Und die Freude am Gelingen dann teilen.

Das hätte Anette sich gewünscht und das wünsche ich mir heute für uns alle.

chz

Geburtstagskind des Tages – Wulf Eichstädt

Heute, am 14. November, wollen wir an Wulf Eichstädt erinnern, der heute vor 80 Jahren geboren wurde.

Wulf war Architekt, war aktiv in der Studentenrevolte, v.a. an der TU Berlin. Ende der 70er Jahre initiierte er eine Ausstellung zu Selbsthilfe beim Bauen und Instandsetzen. Auch wirkte er mit am Verfahren „Strategien für Kreuzberg“, das Pfarrer Duntze initiiert hatte und aus dem dann die Altbau-IBA entstand. Von 1979 bis 1988 war Wulf Koordinator bei der IBA mit Schwerpunkt Strategiengebiet / SO 36 und so lernten wir aus der Regenbogenfabrik ihn kennen. Rufen wir ihm unser Dankeschön hinterher!

Großen Einfluss nahm er bei der Entwicklung der Grundsätze der behutsamen Stadterneuerung mit Vorrang für den Erhalt der Altbauten. Er engagierte sich für Betroffenenbeteiligung, Mieterberatung, in den Altbau integrierte Kitas etc., Frauenprojekte. So wurde er Unterstützer vieler Besetzerprojekte wie Kerngehäuse, Görlitzer Str. 36, Regenbogenfabrik, KuKuCK, name it. Auch die Unterstützung des Verein SO 36 gehörte zu seinem Engagement, dort war er zeitweise auch im Vorstand.

Ab 1989 eröffnete Wulf ein eigenes Architektur- + Stadtplanungsbüro. Am 1. April 2018 ist Wulf Eichstädt im Alter von 76 Jahren plötzlich gestorben.

Zum Weiterlesen stellen wir euch zwei Internetseiten vor:

https://www.bauwelt.de/themen/betrifft/Wulf-Eichstaedt-1941-2018-Nachruf-Architekt-3169984.html

http://raumundlicht.berlin/1_About.html

in memoriam – Ulla

Eine wichtige Begleiterin der Regenbogenfabrik und ihrer Menschen! Von Beginn an, war doch Otur ve yasa – Wohnen und Leben – eine der ersten Anlaufstellen für Unterstützer:innen der Besetzer. Und Ulla blieb uns über die Jahre verbunden, sei es in der gemeinsamen Arbeit für das Mädchenprojekt Rabia, sei es mit den von ihr so geliebten Ausflügen auf den längsten Berliner Buslinien. Auch war sie die treueste Besucherin ALLER Ausstellungen im RegenbogenCafé, Fotos oder Malerei, politisches oder poetisches Thema. Ging am Tag nach der Vernissage um 10 Uhr der Rollladen hoch, stand Ulla schon vor der Tür, verlangte nach Kaffee und Kuchen und vertiefte sich konzentriert in die präsentierten Werke, um danach genießerisch den Kuchen über den grünen Klee zu loben.

Auf dem Bild ist sie mit der prächtigen blauen Stola zu sehen, das sind die 80er Jahre, Anette war bei Wohnen und Leben ihre Praktikantin. Ulla, so sagen viele, du konntest so herrlich lachen und lebendig berichten über alles Mögliche, was du erlebt und gemacht hast – und du hast viel erlebt und getan! Und genauso gut konntest du zuhören. Man merkte immer, dass es dich wirklich interessiert, was du fragst, dass du Anteil nimmst am Leben anderer.

Den 60sten Geburtstag haben wir in der Kantine ausgerichtet. Deine Schwester hat uns angestiftet, dein Lieblingslied zu singen. So haben wir für dich rote Rosen regnen lassen und uns redlich bemüht, Frau Knef nicht zu sehr zu verpassen.

Wen wunderts, dass wir das für dich auch beim Abschied gesungen haben?

PS: Diese aktuelle Nachricht hätte Ulla bestimmt nicht gefallen:
https://plus.tagesspiegel.de/berlin/das-ende-einer-tradition-die-bvg-stellt-die-buslinie-104-ein-283444.html

in memoriam – Gerhard Ptok, genannt Flocky

Vor neun Jahren, am 31.10.2012 ist Flocky gestorben. Ein leichter Tod war es nicht, der Weg dahin war von schweren Krankheiten geprägt.

Was er vor seiner Zeit in der Regenbogenfabrik getan hat? War damals nicht so Thema, aber ich kriegs vielleicht noch raus. Stadtteilzentrum sollte auch hier das richtige Stichwort sein. Spaß an Fußball gehört auf jeden Fall dazu.

Obwohl er trockener Alkoholiker war, hat er tüchtig/tapfer bei einem großen Fest den ganzen Abend Bier gezapft.

Unser erster Hausmeister ist er geworden und hat den Job viele Jahre gemacht. Er hatte auch die Durchsetzungsfähigkeit dafür, hat aber auch mal dabei übertrieben. Doch auch, wenn die Kinder Respekt vor seinem rauhen Ton hatten, man brauchte nie Sorge zu haben, dass er einem auch nur ein Haar krümmt.

Mit unser und meins nahm er es nicht so genau: Wenn er als Hausmeister der Regenbogenfabrik was geschenkt bekam: Wem gehörte das? Nach unserer Meinung: Der Fabrik. Er sah das manchmal recht anders! Doch so ist das, wenn jemand in jedem Ding noch eine Ressource entdeckt und eine Idee hat, was damit gebastelt werden kann. Siehe auch das doppelte Fahrrad, das in den Bildern vorkommt. Doch welcher Bastler hat schon ein großes Lager, das groß genug ist?
Jedenfalls verschwammen da die Abgrenzungen.

Zu den Einrad-Kindern: Die haben aber geizige Eltern, die haben jedem Kind nur ein Rad gegeben.

1985 | Flocky und David

24.7.1985 | Bausenator Franke hält sich zur Besichtigung von Selbsthilfeprojekten in Kreuzberg auf – die RegenböglerInnen veranstalten einen Umzug dorthin unter dem Motto: „Regenbogenfabrik tut gut!“ siehe unser Beitrag im Juli: https://regenbogenfabrik40.blog/2021/07/24/wer-bekommt-schon-eine-demo-zum-geburtstag-geschenkt/