Der Erinnerung eine neue Form geben – Einweihung des Irena-Bobowska-Baumes in Moabit

Am Mittwoch, dem 20. März 2024 folgte ich der Einladung zur feierlichen Benennung des Irena-Bobowska-Baums

Es geschah in der Rathenower Straße 79a, 10559 Berlin (vor der Gefängnismauer Moabit)

Worum geht es:

Irena Bobowska, geboren am 3. September 1920 in Posen, war eine junge polnische Dichterin, Publizistin, Zeichnerin und Aktivistin, eine sehr aktive Person, obwohl sie seit ihrer Kindheit gelähmt war und sich nur mit Schienen, Krücken oder einem Rollstuhl fortbewegen konnte. Sofort nach Beginn des 2. Weltkriegs begann ihre konspirative Tätigkeit, indem sie in der Redaktion der Untergrundzeitschrift „Pobudka“ („Weckruf“) mitarbeitete. Sie wurde im Juni 1940 mit anderen Mitgliedern der Redaktion verhaftet. Sie verbrachte zweieinhalb Jahre in verschiedenen Gefängnissen in Posen, Wronki und Berlin. Sie wurde vom Volksgerichtshof wegen Hochverrats verurteilt und am 26. September 1942 in Berliner Gefängnis Plötzensee enthauptet. Zum 80. Jahrestag des Todes von Irena Bobowska haben 2022 Dziewuchy Berlin dank der Förderung des Berliner Senats für Kultur und Europa vier Veranstaltungen organisiert, die an diese junge, mutige, begabte Frau erinnerten. Irena Bobowska steht symbolisch für all diejenigen jungen begabten Frauen, die im Kriege ermordet und später ins Vergessen gebannt worden sind.
https://www.dziewuchyberlin.org/bobowska/

Diesem Projekt, in dem die Aktivistinnen an eine in Plötzensee hingerichtete Polin erinnerten, folgte 2023/2024 ein weiteres Erinnerungsprojekt: „Frauen im Schatten der Guillotine. Polinnen hingerichtet in Plötzensee“, von von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gefördert.

Es scheint, die Stadt Berlin hat kein großes Interesse daran, tapferen polnischen Frauen zu gedenken – die Ämter verweigerten ein dauerhaftes Gedenken an Irena Bobowska. Die Frauen beschlossen, es anders zu machen – einen Baum zu kaufen und ihn nach Irena zu benennen.

Im September 2023 initiierte Ewa Maria Slaska, Schriftstellerin aus Berlin, eine Spendenaktion zur Finanzierung eines Baumes für Irena Bobowska. Mit der Hilfe des Portals gofundme.de sammelte sie 600,00 €, eine Summe, die es ermöglicht im Rahmen der Berliner Stadtbaumkampagne der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, einen Baum in Berlin pflanzen zu lassen oder ihn als ein Patron / eine Matrona zu übernehmen. So kam es, dass die Weißbuche an der Gefängnis-Mauer von Moabit den Namen von einer polnischen Widerstandskämpferin trägt.
So erhält die Erinnerung eine neue Form.

Zu den geladenen Gästen zählten Professor Johannes Tuchel von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und eine Delegation des Dąbrowka-Gymnasiums aus Posen.
Die Initiative wurde unterstützt vom Aktiven Museum, Faschismus und Widerstand e.V. in Berlin.

Initiative von / Inicjatywa: Ewa Maria Slaska, Anna Krenz und Agnieszka Glapa Hier kann noch einiges zur Aktion, zu Irena Bobowska und über andere Frauen nachgelesen werden:

Bilder von der Aktion

Ein Beitrag bei Polskie Radio

Ein Beitrag bei Deutsche Welle

Informationen zu Irena Bobowska bei Polkopedia

Die Aktivitäten von Polkopedia in der Regenbogenfabrik

Das Vergessen durchbrechen! – Das Projekt Polkopedia

Zwischen Dezember 2023 und Februar 2024 hatten wir in der Regenbogenfabrik ein ganz besonderes Projekt zu Gast!

Die Organisator:innen nannten es Polkopedia. Was bewegte die Menschen? Während des Zweiten Weltkriegs wurden im Strafgefängnis Plötzensee in Berlin 42 Polinnen hingerichtet. Darauf aufmerksam wurden Ewa Maria Slaska und Anna Krenz bei ihren Recherchen für die Veranstaltungsreihe „Die fehlende Hälfte der Geschichte“ zur Geschichte der polnischen Frauen in Berlin. Das Schicksal dieser Frauen soll aufgedeckt und archiviert werden.

Während dreier Workshops sind mehrere biographische (und andere) Beiträge entstanden, mehrere Gedichte, ein Video, eine Collage, mehrere Portraits, eine Postkarte, eine Zeichnung, ein Performance…

Mag das Thema schrecklich gewesen sein, aber die Teilnehmer:innen des Workshops haben es gemeinsam in eine wunderbare, wertvolle Erinnerungsarbeit verwandelt.

Das Projekt wurde gefördert von der Stiftung EVZ  (Erinnerung Verantwortung Zukunft).

Und so findet ihr zur Plattform Polkopedia: https://polkopedia.org/

Darüber steht dort geschrieben: „Das Leben der polnischen Frauen, die in Deutschland lebten, wirkten und starben ist zum größten Teil völlig vergessen. Mit unserem Projekt wollen wir eine besondere Gruppe der Polinnen aus der Verschwiegenheit und Vergessenheit holen – die (meistens) junge Frauen, die während des 2. WK in Polen konspirativ tätig waren, und dann, denunziert und infolgedessen inhaftiert, nach Deutschland gebracht wurden. Viele von ihnen wurden in verschiedene KL geschickt, hier vor allem Ravensbrück, manche jedoch blieben in Berlin, wo sie auch hingerichtet wurden.

2022 widmeten wir ein ganzes großes Projekt einer von ihnen – Irena Bobowska (1920-1942), polnische Dichterin, Pfadfinderin und Widerstandskämpferin, die am 26. September 1942 in Plötzensee mit der Guillotine hingerichtet wurde. Wir betrachteten sie als Symbolfigur, im Laufe des Projekts entdeckten wir aber, dass es allein in Berlin mehrere Hunderte von ihnen in Gefängnissen rotteten und einen grausamen Tod starben. Von vielen weiß man heute gar nichts, oder nur etwas Unvollständiges, Falsches. Gar sind ihre Namen oft falsch geschrieben. Wir wollen an sie erinnern und ihre Schicksale der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Unsere Plattform, wo wir aktive Frauen aus Polen erinnern, heißt Polkopedia, die Online-Enzyklopädie der Polinnen in Berlin.“ Zum Abschluss noch der Hinweis auf ein Video vom zweiten Workshop am 20. Januar 2024:

https://www.facebook.com/watch/?ref=search&v=315468190960498&external_log_id=deb278f5-198c-4f2c-9b9a-629911f33c88&q=polkopedia

Aus der Ecke geholt – ein drastisches Erinnerungsstück

Großputz im Kinosaal! Adieu ihr Spinnweben, raus mit angesammeltem Zeug, das keine:r mehr braucht. Alles? Was ist das denn? Weshalb steht hier in der Ecke so ein Ding? Eine offensichtlich über den Flaschen zusammengeschmolzene Getränkekiste? Eingepackt in eine Vitrine? Also doch nicht wegwerfen, ist das irgendwie wichtig?

Nein, nicht wegwerfen! Auch wenn sich keine und keiner mehr an die Ausstellung erinnern kann, in der dieses Artefakt gestanden hat. Da gibt es aber doch noch die arge Erinnerung an den Tag, die Nacht, in der diese „Skulptur“ entstanden ist: 1981, Brand in der Regenbogenfabrik. Hier im Blog hatten wir zum traurigen Jahrestag darüber berichtet:
https://regenbogenfabrik40.blog/2021/09/20/1981-brandanschlag-auf-die-regenbogenfabrik/

Beitragsfoto: Christine Ziegler

Neuer Versuch unser Grundwasser zu reinigen

Letztes Jahr im März hatten wir getitelt:
„Unser Grundwasser: Der unsichtbare Schatz“ | zum Weltwassertag am Dienstag, 22.3.22

https://regenbogenfabrik40.blog/2022/03/20/unser-grundwasser-der-unsichtbare-schatz-zum-weltwassertag-am-dienstag-22-3-22/

Doch nicht erst Elon Musk ist mit der kostbaren Ressource Wasser schlampig umgegangen.
Wenn wir unter unseren Füßen graben, dann kommt uns die alte industrielle Geschichte des Bezirks entgegen. Konkret vor Ort heißt das: 1978 wurde die Chemische Fabrik Albert Carl hier am Ort geschlossen. Die chemischen Stoffe, durch die unser Gelände schon so lange belastet ist, sind sogenannte Chlorkohlenwasserstoffe (CKW). Diese Stoffe werden in der Regel als Lösemittel, zur Entfettung und in der chemischen Reinigung eingesetzt.

https://regenbogenfabrik40.blog/2021/12/31/1978-schliesung-der-chemischen-fabrik-albert-carl-co-gmbh/

Oberflächlich scheint heute alles ok. Der Boden wurde in den 80er Jahren ausgetauscht, https://regenbogenfabrik40.blog/2021/11/21/1982-die-hinterlassenschaften-der-ehemaligen-chemiefabrik-machen-einen-bodenaustausch-notwendig/

Die Bäume gedeihen so gut es in den trockenen Sommern möglich ist. Doch weiter unten im Erdreich wird deutlich: so schnell wird mensch das Gift nicht los. Hier wie dort, die Versprechen des technischen Wandels haben uns viele solcher Hypotheken auferlegt. Gewinne macht die jeweilige GmbH, den Dreck räumt die Gesellschaft weg, in unserem Fall der Berliner Senat.

Hier vor Ort wurde die Kontaminierung zum Glück nicht ignoriert. Doch die Maßnahmen zur Beseitigung des Schadens begleiten uns seit über 40 Jahren!

https://regenbogenfabrik40.blog/2021/05/29/prasentation-von-gunnar-reich/

Für das Grundwasser besteht auch heute noch Alarm. Neue Maßnahmen wurden deshalb in diesem Frühjahr angepackt. Als Pächter des Grundstücks wird die Regenbogenfabrik über den Umwelt-Senat in die Diskussion der Maßnahmen einbezogen.

Ende April 2023 wurde eine neue Kampagne gestartet. Im Rahmen der Bekämpfung der Verseuchung des Grundwasser(becken)s unter der Regenbogenfabrik wurde die sogenannte „Infiltrationsgalerie“ zur Infiltration von Zucker (=Doping für die chlorliebenden Bakterien) in das Grundwasser auf dem Gelände des Chips und der Regenbogenfabrik erweitert. Es wurden also weitere Löcher gebohrt und zwar auf einer Linie von der Feuerwehrzufahrt bis zur Fahrradwerkstatt.

Mit der Bohrfirma hatte der zuständige Projektleiter von der „Beratenden Gesellschaft für Hydrogeologie und Umweltschutz“ abgesprochen, die Belastungen für die Regenbogenfabrik wegen der „sensiblen Nutzung“ möglichst gering zu halten. Es wurde daher keine Baustelle über die gesamte Länge angelegt, sondern für jedes Bohrloch kleinere Wanderbaustellen.

Insgesamt wurden dann 10 Löcher gebohrt, jede „Wanderbaustelle“ war dann jeweils etwa 4m x 7m groß. Hier das Gerät in Aktion, auf diesem Bild noch auf dem ebenfalls betroffenen Geländes des Chip.

Doch damit nicht genug: zur Bekämpfung der Verseuchung des Grundwasserbeckens unter der Regenbogenfabrik wurde zusätzlich eine Pumpe installiert, die das Grundwasserbecken in „Bewegung“ bringen soll, damit die Bakterien besser arbeiten können.

Diese Pumpe steht nun in einem kleinen schallisolierten Container zwischen Weg und Kinderspielpatz, da wo bisher ein kleiner Fahrradständer stand.

Der Zugang zum Grundwasser befindet sich auf dem Weg direkt vor dem vorgesehenen Standort der Pumpe. Eine Wasserleitung zur Pumpe liegt unter dem Boden, so dass der Weg nach Installation der Pumpe wieder frei ist. Die Pumpe soll 3-4 Monate arbeiten.

Natürlich habem wir uns Sorgen gemacht, wie laut so eine Pumpe ist, doch bislang scheint die Schalldämmung ausreichend zu sein.

Die Arbeiten werden vom Mo., 15.05. bis Mi., 17.05. ausgeführt.

Nun drücken wir den Bakterien die Daumen, dass sie die nächsten Monate noch besser als vorher mit den Chlorbiestern zurechtkommen.

Bei uns oben sieht es derzeit so aus:

chz