Chlorkohlenwasserstoffe – Präsentation von Gunnar Reich

zur chemischen Belastung auf dem Grundstück der Regenbogenfabrik

Regenbogencafé am 5.4.2006

Die chemischen Stoffe, durch die unser Gelände schon so lange belastet ist, sind sogenannte Chlorkohlenwasserstoffe (CKW). Diese Stoffe werden in der Regel als Lösemittel, zur Entfettung und in der chemischen Reinigung eingesetzt.

Geschichtlicher Exkurs: Der Sohn des Sägewerkbesitzers ist im 1. Weltkrieg gefallen und damit gab es für die Firma keinen Erben mehr. Daher wollte der Sägewerker an einen Investor verkaufen. In diesem Zusammenhang wurde 1915 der Abrissantrag für die alte Fabrik gestellt, um Platz zu schaffen für ein viergeschossiges Fabrikgebäude, wie es für die zweite Welle der Kreuzberger Industrialisierung typisch war. Dafür wurde jedoch die Genehmigung nicht erteilt, zu dieser Zeit war die Politik nicht mehr bereit eine solche Verdichtung zuzulassen.

Nach etlichen Zwischennutzern wurde 1928 das Gelände von der Chemikalienhandelsfirma Albert Carl übernommen. Durch eine Bombe, die in den 1940er Jahren die Fabrik in Höhe des heutigen Toberaums traf, was auch das benachbarte 1. Hinterhaus teilweise zerstörte, ist wahrscheinlich die hohe Belastung im Boden entstanden.

Die große Bodenaustauschaktion der oberen 1,5 – 2,5 m im Herbst 1982 ermöglichte zwar die gefahrlose Nutzung des Hofes der heutigen Regenbogenfabrik, beseitigte aber die zentrale Quelle der Bodenverseuchung und der sich daraus entwickelnden Grundwasserverunreinigung unterhalb des Gebäudes nicht. Diese Quelle speist nach wie vor eine ausgebildete „CKW-Ausbreitungs-Fahne“ im Grundwasser nordwestlich Richtung Kotti und Spree. 1988 wurden erste Grundwasseruntersuchungen in dieser Fahne vorgenommen und 1991/92 wurde mit dem „Hydro-Airlift-Verfahren“ mit nur mäßigem Erfolg versucht, der Grundwasser-Kontamination Herr zu werden. Weitere Versuche wurden dann vorerst nicht unternommen, da sich für die Stadt nach der Wende neue Sanierungsprioriäten aufdrängten und die Regenbogenfabrik nicht in einem Trinkwasserschutzgebiet liegt.

Oberflächlich ist daher keine CKW-Belastung mehr messbar, auf dem Platz kann gespielt werden, auch die Bepflanzung ist nicht vergiftet, da die Wurzeln nicht in die kontaminierten Bodenschichten reichen. Damit ist auch die Ernte von Früchten oder Kräutern unbedenklich.

Seit 2003 sind wieder Bemühungen zu verzeichnen und 2005 wurden im Auftrag des Senats neuerliche Grundwassersondierungen vorgenommen.

Die gefundenen Stoffe sind alle nicht besonders lecker:

PCE, TCE, DCE und VC -> schädlich, krebserregend, fruchtbarkeitsschädigend …

Die Messungen haben allerdings auch ergeben, dass es bereits einen „natürlichen“ Schadstoffabbau durch „anerobe reduktive Dechlorierung“ gibt:

  • Im Boden gibt es Mikroorganismen, die in der Lage sind, aus sogenannten primären Substraten (organisches Material, welches im Grundwasser gelöst ist) Kohlenstoff und Energie für ihr Wachstum zu gewinnen. Dabei werden Elektronen freigesetzt, die für die Zerlegung der CKW (Reduktion = Aufnahme von Elektronen) erforderlich sind.
  • Der Abbau der CKW erfolgt dann kometabolisch (Umsetzung durch Enzyme, die eigentlich für andere Zwecke produziert werden). Zum Abspalten eines Chlor-Atoms werden 2 Elektronen benötigt, so dass sich dieser stufenweise Zerlegungsprozess der CKW formelmäßig wie folgt beschreiben lässt:

Wenn Chlor (Cl) in diesem aneroben Prozess durch Wasserstoff (H) ersetzt wird, entstehen also hintereinander die Abbauprodukte Trichlorethen, Dichlorethen über Vinylchlorid bis zum Schluss Ethen, Ethan und Methan.

  • Die Mikroorganismen selbst beziehen dabei keine Energie aus dem “Zerlegen“ der CKW.

In einer Machbarkeitsstudie über die Säuberung des Geländes wird deshalb untersucht, ob dieser schon vorhandene Abbauprozess verstärkt werden kann und das geht! Durch Injektion organischen Materials in Form von Melasse oder Laktat als primäres Substrat werden die Mikroorganismen zu noch größerer „Produktion“ von frei werdenden Elektronen für den CKW-Abbau angeregt.

Ein erstes Testfeld wird im Hof des Jugendhaus Chip angelegt werden, damit kann dann der Nachfluss Richtung Spree schon mal blockiert werden. In folgenden Schritten wird man sich der Schadensquelle nähern; hoffend, dass sich in der Zukunft auch der quellnahe Bereich sanieren lässt und die Quellkonzentration der CKW deutlich reduzieren lässt. Die Beseitigung der Quelle wäre natürlich das Beste, das ist aber nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand durchführbar.

Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen:

Eigentlich wäre der Bezirk für die Sanierung zuständig, hat in unserem Fall den Senat um „Amtshilfe“ gebeten. Das geplante Testfeld ist in den Senatshaushalt eingestellt, spätere Sanierungsschritte werden Zug um Zug zwischen Bezirk und Senat ausgehandelt.

Christine – mit freundlicher Nachhilfe durch Gunnar Reich, vielen Dank!

PS: All das dauert noch immer an, wir werden das weiter verfolgen:

  • Im Jugendzentrum Chip wurde das Testfeld erweitert auf eine größere Melasse- Injektions-Galerie. Über mehrere Jahre wurde dort die Melasseinjektion verstärkt fortgesetzt.
  • Auch im Hof der Regenbogenfabrik und an der Grundstücksgrenze sind quellnahe Injektionslanzen installiert worden, um die quellnahe Sanierung zu ermöglichen und voranzubringen.