Betrachtet man die Fabrik mit ihren Gebäuden von oben, wird deutlich, dass ihre Gebäude heute ein langes großes L formen. Der lange L-Schenkel war immer das zu Hause für die großen Projekte: Kino, Werkstätten Kitas… – alles woran die NutzerInnen immer dachten, wenn es um das Projekt Kinder-, Kultur- und Nachbarschaftszentrum ging. Das kurze Stück des Ls jedoch hat es irgendwie über die Jahre lange nicht zu großem „Ruhm“ geschafft. Die zwei wackligen Baracken ganz hinten waren lange eher ein ungenutzter Wurmfortsatz.
Zwar nutzten wir ihn einige Jahre als Kinderatelier für Kunst und Nachmittagsbetreuung, aber so richtig kriegte er die Kurve nicht.
Das sollte sich ab 2000 mit dem Umbau zu Kantine und der ersten Hostelerweiterung ändern.
Plötzlich tobte auch hier Leben und kulinarisches Schaffen, wir hatten uns Räume erschlossen und komplett neu definiert. So neu, wie an kaum einen anderen Ort im langen L.
Ein kleines Reststückchen L jedoch sollte noch länger warten. Zwar hatten wir im letzten Stück irgendwann einen kleinen Seminarraum und ein Zimmer für die Gäste eingerichtet, aber es blieb trotz liebevoller Dekoration und vielen Schichten Farbe ein muffig kalter Ort im Dunklen. Die Toiletten waren nur über den Hof zu erreichen, die Farbe blätterte stetig von den von Feuchtigkeit gesättigten Wänden und die Wärme kam aus zwei stromfressenden und stinkigen Radiatoren. Zudem stieß man sich bei Betreten eigentlich immer den Kopf.
Mit dem Hostel hatten wir einen guten Riecher, nach der anfänglichen Hostel-Skepsis florierte das Geschäft mit dem Gast und machte Freude. Wir brauchten mehr Platz, mehr Zimmer.
Wenige Jahre nach dem ersten großen Umbau des kleinen Ls stand der Beschluss fest: Ein Neubau muss her. Ein Neubau als Raum für Behaglichkeit, als Mittagstisch für die Kantine, Seminare und kleinere Feiern.
Die Planung war gigantisch. Mit Architekten, geförderten Maßnahmeteilnehmern und wie immer Geld- und am Ende Zeitnot.
Aber wir haben es von Abriss, über Fundamentlegung und Neubau geschafft. Haben einen neuen Ort geschaffen, der nach so langer Zeit das Juwel am letzten Ende des kurzen Ls geworden ist. Der Balkon, eigentlich ein Produkt der Notwendigkeit zur Sicherheit der Gäste im Brandfall, ist beliebter Verweilort mit bester Aussicht auf das gesamte Gelände. Die Zimmer hell und gar nicht muffig. Die Atmosphäre schöner, als wir es uns erträumt hätten.
Die Bauphase war ein kräftezehrendes Kapitel, das uns noch heute schmunzeln lässt und stolz macht. So manche Fliese zeugt jedoch auch noch heute vom Zeitstress und dem Chaos, das zeitweise herrschte. Von diesen Erlebnissen und dem aufregenden Abriss vor dem Aufbau möchten wir ein anderes Mal berichten.
Heute können wir berichten, dass Corona mit seinen Einschränkungen und neuen Raumbedürfnissen ein Teil des Erdgeschosses wieder zum Gästezimmer umgewandelt hat. Zum Glück nicht mehr muffig, auch nicht mehr dunkel und schon gar nicht kalt. Nur das Problem mit dem Austreten über‘n Hof haben wir wieder. Aber wenigstens ohne Kopfstoßen auf dem Rückweg.
Der Hostelneubau. Ein spannender Weg vom Wurmfortsatz zum beliebten Fotomotiv in Kornblumenblau. Die Farbe haben wir übrigens anhand einer gefundenen Kornblume in Potsdam gefunden. Farbentscheidungen waren schon immer ein kreativer Prozess im Hostelteam.
Aber auch diese Geschichte soll zu einem anderen Zeitpunkt erzählt werden.