Ihr erratet es schon, das ist doch mal wieder etwas aus der mehr oder weniger skurrilen Jahrestagskollektion.
In unserer Chronik war zusammenfassend weniger Gutnachbarliches zu lesen: „1982 | Vogel/Braun droht mit der Räumung der Lausitzer 22a/23 zum 1.10.82. Eine kurzfristig einberufene Gesprächsrunde kann dies verhindern. Es wird eine Übereinkunft unterzeichnet, in der den Besetzern Verträge und Vogel/Braun ein Ersatzgrundstück versprochen werden.“ (SOE Sonderausgabe, September 1983)
In der Gefahr also doch ein paar gute Nachbarn für die Regenbogenfabrik unterwegs? Tagesaktuell finden wir im Südost Express vom Dezember 1982 zu lesen:
„Auf dem Gelände der Regenbogenfabrik wird seit dem 1. November fleißig gebaut. Nach einer Vereinbarung zwischen den Spekulanten Vogel & Braun, Senat, Bezirk, IBA, Besetzern und Verein SO36 legte Vogel mit der Modernisierung der Lausitzer Straße 22a los. Die Besetzer sind quasi geduldet und die Genossenschaft SHIK als Vertragspartner anerkannt. Sogar das Café „Regenbogen“ ist gerettet; nach der Modernisierung müssen 5 Mark pro qm bezahlt werden. Der Seitenflügel Reichenberger 50 ist schon abgerissen und der Boden auf der alten Chemiefabrik wird gerade ausgetauscht. Im Frühjahr wird das Gelände bepflanzt. Zur Feier der Einigung drängte Stadtrat Orlowsky alle Beteiligten zu Sekt und Kuchen ins Café. Vogel spendete einen Hunderter. Die Besetzer wollten nicht so gern, dass wir davon berichten. Aber: feiern wird man ja noch dürfen. Weitere Vereinbarungen über die Generalmiete u.a. stehen eh auf dem Spiel. Seit Lummers Räumungen in der Maaßenstraße gilt wieder mal: Verhandlungsstop!“
Hier noch mal im Erscheinungsbild des SOE:
Rettung auf schwankendem Grund, wie wir im Nachhinein wissen. Einerseits ging es voran, z.B. mit dem Bodenaustausch. Andererseits verliert die Regenbogenfabrik viel Fläche und vor allem den zweiten Zugang über die Reichenberger Straße. Und damit war nicht Schluss, munter ging es weiter mit der Salamitaktik.
Seitenflügel Reichenberger Straße 50 – Foto von Peter Grosch
Vorbereitung der Bausstelle Reichenberger Straße 49 – bis dahin Einfahrt in die Regenbogenfabrik
Blick zur Reichenberger Straße 49 – 1982 Fest und Auftritt der IG Blech
Vom bald folgenden Abriss der Metallwerkstatt im August 1983 haben wir ja gerade erst berichtet. LINK ZUM ARTIKEL
Das Tauziehen ging weiter hin und her, bis zur Legalisierung und eigentlich darüber hinaus. Da waren wir immer wieder auf gute Nachbar:innen angewiesen.
Eine Extra-Ausgabe macht insbesondere Freizeit- Aktiven außerordentlich viel Mühe. Und ein bißchen Mühe sollen auch Sie sich machen: beim Lesen und Durchwühlen durch die 24 Seiten. Und beim Weitersagen, Drüber- Reden, Weitergeben. Wir meinen, dass es sich lohnt. Spekulation mit Häusern und mit Mieterschicksalen — vor zwei Jahren in Berlin noch in aller Munde, nicht zuletzt durch die Instandbesetzer — Spekulation mit unseren Steuergeldern in Milliarden-Höhe lockt heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor?
Ein Jahr lang wurde recherchiert. Keine Spekulantengruppe kann sich so anhaltender Aufmerksamkeit rühmen. Schwierigkeiten, Steckenbleiben und Überraschungen lösten sich ab. Neue, enthüllende Tatsachen kamen an’s Licht und sollen nun veröffentlicht werden. Wenn die Politiker versagen, hilft nur noch Öffentlichkeit gegen gesellschaftliche Mißstände. Der Widerstand, den Besetzer und Mieter gegen die ungeheuren Spekulanten-Praktiken leisteten, ist also nicht restlos eingeschlafen und dahin — wenn auch manche resignierten. Gerade in der Lausitzer Straße, in der noch immer besetzten Regenbogenfabrik im Block 109 (zwischen Kanal und Reichenberger Straße), steht die Auseinandersetzung zwischen Mietern und Besetzern auf der einen und dem Senat und Vogel & Braun auf der anderen Seite auf des Messers Schneide. Hier Druck zu machen, gegen eine mögliche neue Räumung, gegen Luxussanierung auf unser aller Kosten — dafür diese Extra-Ausgabe.
Sie wurde hergestellt vor allem von Spekulations-Betroffenen aus dem Block 109. Sie soll dazu beitragen, Spekulanten weiterhin das Leben schwer zu machen. Rund 100 Häuser gehören dem Vogel & Braun Trust allein in unserem Bezirk. Neue Spekulanten, neue Namen treten seit Wochen verstärkt auf die Bühne. Die Wende ist in zwei Jahren CDU-Wohnungspolitik in Berlin vollbracht. Neuer Widerstand kommt auf. Die nächsten Wochen werden es zeigen. Und am Ende sind wir mit unseren Enthüllungen auch noch nicht. Ihr SÜDOST-Express
So haben die Macher:innen des Südost Express ihre Sondernummer eingeleitet.
Ein Jahr wurde recherchiert. 24 Seiten, dicht gepackt mit Informationen, sind entstanden.
Rund 100 Häuser gehörten dem Vogel & Braun Trust allein in Kreuzberg. Wer sich diese Informationen damals zu Gemüte geführt hat, wundert sich auch heute über nichts.
Seite 16 ff erzählt von den Auseinandersetzungen um die Regenbogenfabrik. Besonders wichtig ist hier die Erzählung über den Versuch, mit den Kommanditist*innen, also den steuersparwilligen Geldgebern der unglaublichen Finanzjonglagen, ins Gespräch zu kommen. (Seite 21)
Mehr findet ihr im FHXB Museum:
Und warum erscheint gerade heut der Bericht über die Sondernummer? Weil sie pünktlich zum Fest in der Regenbogenfabrik fertig werden musste: „Fest: nix steht fest. Aber fest steht ein Fest.
Am 19. September hatte es in der Fabrik noch eine spannende Veranstaltung gegeben: Gewerkschafter aus Westberlin und Westdeutschland trafen sich zu diesen Themen: Betriebsarbeit – Arbeit im Kollektiv, Probleme der Arbeit ob überhaupt und wenn ja wie, Probleme der Gewerkschaftsarbeit (z B Neue Heimat), Anti-AKW Arbeit in den Gewerkschaften. Angezettelt hatten es Leute aus der Regenbogenfabrik, aus der Kottbusserstraße 8 und dem Kerngehäuse in der Cuvrystraße.
Alle waren längst schlafen gegangen, da kam der Alarm. Einer rannte durchs Haus und weckte alle Bewohner:innen. Es war Herbst, schon kalt in der Nacht. Notdürftig zogen sich alle an, packten die Kinder und raus auf den Hof. Jenny, die Jüngste, war ja grad knapp drei Monate.
Die Flammen waren auch auf der Rückseite der Fabrik zu sehen. Und wie lange brauchte verdammt noch mal die Feuerwehr! Und als sie kam, empfanden wir sie erschreckend untätig: „das sind ja nur alte Lagergebäude …“
In dieser Nacht ist keineR mehr schlafen gegangen. In den folgenden Tagen war erst mal Bestandsaufnahme zu machen.
Der Schaden war erheblich, die Gutachter:innen sprachen von 80.000,- DM. Verletzt wurde zum Glück niemand, verwüstet wurde vor allem der Veranstaltungsraum. In Hamburg ging ein „Bekenneranruf“ einer rechtsradikalen Gruppe ein. (Südost Express Extra, September 1983)
erste Sichtung und Wetterfestmachung
Regenbogenfabrik 1981
Regenbogenfabrik 1981
Regenbogenfabrik 1981
Regenbogenfabrik 1981
Regenbogenfabrik 1981
Regenbogenfabrik 1981
Fotos: Kostas Kouvelis
Der Südost Express hat natürlich darüber ausführlich berichtet:
Südost Express 10/1981
Dieses ist der traurige und auch abstoßende Teil der Geschichte. Doch es gibt auch einen aufbauenden Teil, nämlich die Freude darüber wie viel Solidarität in der Nachbarschaft erfahren durften: so spendeten die Menschen in der Ölberg-Gemeinde großzügig während eines Gottesdienstes. 1.000 DM brachten die Unterstützung für die nun neu einsetzende Aufbauarbeit.
Also ging es bald schon nach dem Aufräumen an die ersten Instandsetzungsarbeiten. Erste Etappe in einer bis heute andauernden Baugeschichte, die auch noch erzählt werden muss.