Klimaneutralität im Baubestand fördern

Fünf Schritte, so las ich es neulich in der Zeitung, wären zu gehen:

  1. Einsehen, dass etwas passieren muss und entsprechend ehrgeizige Ziele setzen. Gesellschaftlich wächst die Einsicht, reichen tut es noch nicht
  2. Gebäude energetisch verbessern. Da wurde in der Zeit der Selbsthilfe manches getan (stärkere Wandisolierung, gute Fenster, ökologische Materialien), jede neue Maßnahme muss gut durchdacht werden.
  3. Verkehr klimaneutral, da haben wir in unserem Haus günstige Voraussetzungen. Mitten in der Stadt haben wir kurze Wege und es steht uns ein dichtes ÖPNV-Netz zur Verfügung. Viele nutzen ihre Räder und wir haben fast keine Autos.
  4. Saubere Energie, am besten Solarmodule auf dem Dach.
    Da sind Entscheidungen in ihrer Wirkung langfristig. Vor Jahren hat sich das Haus für ein Blockheizkraftwerk entschieden, denn die Ausrichtung der Dächer war für Solar nicht so optimal. Dazu im Vergleich war es in der damaligen Situation effizient, aus dem gelieferten Gas nicht nur Wärme, sondern auch Strom zu erzeugen.
  5. Hitze und Regen. Wir haben die Höfe begrünt, auf dem entsiegelten Hof der Regenbogenfabrik wachsen mehr als 20 Bäume in den Himmel. Auf dem Hinterhaus ist in den 90er Jahren ein Gründach errichtet worden. Und damit ist nicht nur für Biene und Schmetterling gesorgt, sondern auch wir Menschen freuen uns an der deutlichen Abkühlung im Sommer. Doch vom Starkregen läuft uns noch immer zu viel in die Mischkanalisation der Gründerzeitstadt, da wäre noch was zu tun.

https://regenbogenfabrik40.blog/2021/08/28/pfutzen-gestalten-den-fabrikhof/

Mit dieser Bilanz im Kopf treffe ich mich mit Marie-Luise auf unserer schönen Dachterrasse. Nach kurzer Inventur ist sie zufrieden mit dem, was sie auf unserem Dach sieht.

Und warum interessiert sie unser Dach? Weil sie uns in den Zeiten der Selbsthilfe den Plan gemacht hat, wie es aussehen soll. Von der Wahl des Substrats bis hin zur allen Pflanzen.

Aus meiner Eingangsfrage: wie bist du geworden, was du bist, entwickelt sich eine Geschichte der Landschaftsarchitektur.

Von der „Grashalmzählerei“ in Kreuzberg, der Pionierphase im Bestand, über die neuen Möglichkeiten durch die Wende, hin zu den großen Flächengestaltungen in Potsdam. Und nun der Schritt in die Zukunft zur Schwammstadt. Und doch hat genau das auch seine Wurzeln im klein-klein der 80er Jahre, beflügelnd war der Rausch, was Neues ausprobieren zu können.

Zum Abschluss die Frage, die letztendlich der Ausgangspunkt meiner Befragung hatte sein sollen:

Wieso hast du das ausgewählt, was jetzt bei und im Hof und auf dem Dach wächst?

Da ist erst mal der Anspruch einer Gärtnerin:
1. die Pflanze muss da gedeihen, wo sie stehen soll.
2. Es soll auch ästhetisch für die Menschen sein.
3. Die Bienen und die Vögel sollen auch was davon haben.

Kreuzberger Hinterhöfe sind selten sonnig, aber es gibt immer was, das gedeiht und sogar in vielen Farben blühen kann. Da wächst bei uns der Wein die Fassade hoch, auf der anderen Seite die Clematis. Im Frühling explodiert ein Busch in gelben Blüten. Der Scheinflieder hüllt Alle in seinen süßen Duft.

Auf dem Dach kommt noch eine Bedingung hinzu:
Die Pflanzen sollen die Dachhaut nicht zerstören. Wenn das richtige Substrat gewählt wird, dann ist das Dach sogar geschützt und die Grünfläche auf dem Dach hilft dabei, dass das Regenwasser zurückgehalten wird und langsam verdunstet, statt zum großen Stau in den Abwassersystemen beizutragen.

Gut wäre es, wenn die Gestaltung der Häuser allgemein diesen Überlegungen folgen würde. Dann könnte Regenwasser in der Fläche verteilt und genutzt werden und die allgemeine Infrastruktur wäre weniger unter Druck. Doch für die einzelnen Hausbesitzer ist das ein Kostenfaktor, dem anscheinend nicht genug Vorteile gegenüberstehen. Daraus entstehen neue Forderungen an Stadtentwicklungspolitik:

– Aufstellen von Richtwerten zur Unterstützung der Neubauplanung.
– Hilfsprogramme für Anwohner:innen und Eigentümer:innen, um im Bestand
Verbesserungen zu ermöglichen
– neues Bewusstsein zu den Eigenschaften von Baustoffen fördern
– Unterstützung bei den Themen, CO2, Feinstaub, Wassermanagement

chz, mit wunderbarer Unterstützung von Marie-Luise Klein

Danke für das Gespräch und für alle Schönheit, die durch deine Hilfe hier entstanden ist!

https://www.buero-klein.net/