2005 beteiligte sich die Regenbogenfabrik zum zweiten Mal am Tag des offenen Denkmals. Das bundesweite Thema lautete „Krieg und Frieden“.
Das Motto nahmen wir zum Anlass, uns damit zu beschäftigen, was in der Fabrik und in der Nachbarschaft in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen war.
Mit Hilfe des Bezirksmuseums Friedrichshain-Kreuzberg fanden wir heraus, dass jüdische Mitbürger:innen aus dem Haus Lausitzer Straße 31 deportiert und ermordet worden waren.
Wir beschlossen, zu ihrem Gedenken Stolpersteine verlegen zu lassen.
Stolpersteine sind in den Bürgersteig eingelassene, mit Messingtafeln versehene Pflastersteine, die vor der Haustüre der ehemaligen Wohnorte von Verfolgten des Naziregimes in den Boden gesetzt werden. Auf den Steinen, die je 10 x 10 cm groß sind, werden die Namen der Opfer des Nationalsozialismus sowie die Geburts- und Todesdaten eingraviert.
Von 1941 bis 1945 wurden etwa 55.000 jüdische Einwohner und Einwohnerinnen aus Berlin verschleppt und ermordet. Unter ihnen auch 7 Bewohner und Bewohnerinnen aus der Lausitzer Straße 31.
Dabei handelt es sich um vier Angehörige der Familie Steinmesser, Frau Kestel geb. Bach (Gans) und Kurt und Hulda Moses, geborene Spitz. Sie alle wurden zwischen 1942 und 1943 aus ihrem Wohnhaus an der Lausitzer Straße 31 deportiert, und gelten als verschollen und wurden in unterschiedlichen Konzentrationslagern ermordet.
Mit unserer Idee wandten wir uns an die Bewohner und Bewohnerinnen der Lausitzer Straße 31 und der Nachbarschaft, aber auch an die Besucher:nnen beim Denkmalfest und baten darum, die Verlegung der Stolpersteine finanziell zu unterstützen. Vier Gedenksteine für die Familie Steinmesser hatten wir uns als ersten Schritt vorgenommen. Das Setzen der Steine für die Familie Steinmesser fand am 15. Mai 2006 statt. Für Hulda und Kurt Moses wurden die Steine im Juli 2007 verlegt.
Noch ein paar Worte zu den Stolpersteinen: Anfang der 90er Jahre konzipierte der 1946 in Berlin geborene Künstler Gunter Demnig die „Stolpersteine“ als dezentrale Denk- und Mahnmale. Das Stolperstein Projekt erinnert an alle Opfergruppen: Juden, Roma und Sinti, Euthanasieopfer, Homosexuelle sowie Menschen, die aus politischer oder religiöser Überzeugung in Opposition zum Nationalsozialismus standen, seien dies Kommunist:innen, Sozialdemokrat:innen, Katholik:innen, Protestant:innen, Zeugen Jehovas oder andere. Denn jede und jeder, die bzw. der nicht ins Menschenbild des Nationalsozialismus passte oder sich nicht einfügte, hatte mit Repressalien, Folter und letztlich mit Vernichtung zu rechnen.
Mit einem Stolperstein bekommt eine vom Nationalsozialismus verfolgte und in dessen Folge zu einer Nummer degradierte Person ihren Namen wieder. Deren Identität und Schicksal sind, soweit bekannt, auf dem Stein ablesbar. Das Stolperstein Projekt erinnert an die Biographie der Verfolgten und macht zugleich die jeweilige Lokalgeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus sichtbar.
Das „Stolpern“ findet im übertragenen Sinne, also gedanklich in den Köpfen derer statt, die den Stein wahrnehmen, innehalten, sich erinnern und nachdenken.
Gunter Demnigs Gedenksteine berühren, weil sie Menschen in die Gegenwart holen, die einst im eigenen Kiez oder sogar im eigenen Haus gelebt haben, aber ihrer Gegenwart beraubt und vernichtet worden sind. „Auschwitz war das Ziel und Endpunkt, aber in den Wohnungen und Häusern begann das Unfassbare, das Grauen“, erklärte der Künstler zu seinem Stolperstein Projekt.
Das Projekt Stolpersteine erfreut sich bundes- und europaweiter Anerkennung und Durchführung und lebt von der Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung vor Ort.
Das Thema Stolpersteine werden wir im Blog wieder aufnehmen, denn wir haben in der damaligen Recherche mehr gelernt, als in einen Beitrag passt. Doch heute wollen wir nicht schließen, ohne die Namen der ehemaligen Nachbar*innen zu nennen und zu dokumentieren, was auf den Stolpersteinen veröffentlicht wurde. Die Namen sollen nicht vergessen werden.
Frau Greta Steinmesser, geb. Kestel
geb. am: 12.02.1899
in Berlin
Wohnort: Lausitzer Straße 31
Dep.: 38. Osttransport am 17.05.1943 nach Auschwitz
Frau Thea Steinmesser
geb. am: 06.06.1923 in Berlin
Wohnort: Lausitzer Straße 31
Dep.: 31. Osttransport am 01.03.1943 nach Auschwitz
Herr Ludwig Steinmesser
geb. am: 02.09.1926
in Berlin
Wohnort: Lausitzer Straße 31
Dep.: 31. Osttransport am 01.03.1943 nach Auschwitz
Herr Joachim Steinmesser
geb. am: 10.07.1932
in Berlin
Wohnort: Lausitzer Straße 31
Dep.: 96. Alterstransport am 10.09.1943 nach Theresienstadt
und am 15.05.1944 nach Auschwitz
Herr Kurt Moses
geb. am: 12.3.1908
in Berlin
Wohnort: Lausitzer Straße 31
Dep.: 11. am 28.3.1942 nach Piaski-Trawniki
Frau Hulda Moses, geb. Spitz
geb. am: 15.4.1875
in Birnbaum
Wohnort: Lausitzer Straße 31
Dep.: 11. am 28.3.1942 nach Piaski-Trawniki
Für Frau Kestel konnten wir die Recherchen nicht zu Ende bringen, Dieser Stolperstein fehlt noch.

Was wir später herausfanden: Am 15. Mai 2006 hat auch eine andere Initiative einen Stein in der Reichenberger Straße setzen lassen.