1998 | Mit Schreiben aus dem Bezirksamt (Grundstücksamt) wird uns mitgeteilt, dass die Gebäude der Regenbogenfabrik und das dazugehörende Vorderhaus unter Denkmalschutz stehen. Da waren wir schon verblüfft: „Das Landesdenkmalamt hat uns nunmehr schriftlich davon in Kenntnis gesetzt, dass die auf o.g. Grundstück vorhandene Remise und der Schuppen ebenso wie das Wohnhaus auf dem Vorderland unter Denkmalschutz gestellt wurden. Veränderungen im oder am Gebäude müssen ab sofort mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde abgesprochen und abgestimmt werden.“

Erst mal waren wir baff. Und dann auch besorgt. Was kommt da auf uns zu? Wird es Auflagen geben, die wir schwer erfüllen können? Doch dann drehten wir den Spieß um und beschlossen, uns einzureihen in der großen Menge von Denkmalen in der Stadt und freuen uns Jahr für Jahr daran, den Denkmal- und geschichtsbegeisterten die Türen zu öffnen und unsere Geschichten mit ihnen zu teilen.
Die Erforschung unseres industriegeschichtlichen Baudenkmals machte zunehmend deutlich, was die Regenbogenfabrik an städtebaulicher und kulturhistorischer Besonderheit repräsentiert. Das Gebäudeensemble ist ein Beispiel für eine frühe industrielle Produktionsstätte an der Schwelle zwischen ländlichem Leben und städtischer Bebauung im ausgehenden 19. Jh. Die zweigeschossigen Remisen sind als Dampfsägewerk und später bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts als Chemiefabrik genutzt worden.
2021 beteiligt sich die Regenbogenfabrik zum 18. Mal am Tag des offenen Denkmals, dieser großen, europaweiten Veranstaltung. Seit 2005 sind wir regelmäßig dabei.
Jedes Mal laden wir ein zu Basar im Hof, zu Musik und Kultur, zu leiblichen Genüssen und Spielen für die Kinder ein. Eine Führung durch das Ensemble gehört unbedingt dazu und ermöglicht Einblicke in aktuelle Aktivitäten und gibt Gelegenheit zu geschichtlichen Rückblicken.
Das alte Dampfsägewerk von 1877 ist ein echtes Denkmal! Hier in Kreuzberg wurde Industriegeschichte gelebt. Und heute wird in den Werkstätten die handwerkliche Kunst gepflegt. Am Standort in der Vorderen Luisenstadt stellt sich bis heute die Frage nach der guten Mischung von Leben und Arbeiten. Über die Zeiten hinweg lautet die Parole: Wir bleiben alle! Entschlossen, solidarisch, lebendig und nachhaltig mischen wir uns ein. Und das seit 1981.
Die Erhaltung eines Gebäudes ist fast immer ökologisch und ressourcenschonend.
Eingriffsminimierung, Reparatur vor Austausch, Reversibilität und Verwendung natürlicher Baustoffe sind die wichtigen Stichworte. Und je länger die Lebensdauer eines Gebäudes aufrechterhalten wird, desto größer ist der Beitrag zur Ressourcenschonung. Weil jede*r beträchtliche Mengen an Abrissenergie und Energie für einen Neubau einspart.
Nachhaltigkeit ist uns seit 1981 ein Anliegen. Uns faszinieren die fünf R:
rethink, refuse, reduce, reuse, recycle.Die beiden Selbsthilfewerkstätten leben dieses von Anbeginn. Die Reparatur alter Möbel, die Aufarbeitung des ollen Drahtesels tragen zur Produktlebensverlängerung bei und der Verleih von Rädern ermöglicht es unseren Gästen und Nachbar*innen, sich in nachhaltiger Weise durch die Stadt zu bewegen. Ein Fahrrad ist Mobilität auf für den schmalen Geldbeutel.
Bei Instandsetzen und Modernisieren folgte die Materialauswahl ökologischen Überlegungen. Ein Teil der Regenbogenfabrik erhält Strom und Wärme durch ein Blockheizkraftwerk. Im Hof der Fabrik legen wir Wert auf naturnahe und heimische Bepflanzung.
Unser (Mindest-)lohn ist zwar niedrig, aber für uns alle gleich. Niedrige Preise fördern die Möglichkeit der sozialen Teilhabe aller Nachbar*innen und Gäste. Mit unseren beiden Integrationsstellen tragen wir zur sozialen Inklusion bei. Denn Nachhaltigkeit beschäftigt sich nicht nur mit Ökonomie und Ökologie, sondern auch mit sozialen Fragen.
Nicht stehenbleiben, die Diskussion suchen; wir hoffen, dass wir mit unserem Hoffest unseren Teil am notwendigen ökologischen Umbau leisten können. Jetzt, wo so langsam alles wieder hochgefahren wird, dürfen wir die Nachhaltigkeit nicht vergessen.
Auch beim Klimawandel gibt es eine Kurve, die wir flachhalten müssen.