Szenen von heute

„Vor neun Uhr morgens, und ich muss reden. Ok, ausnahmsweise“, erzählt mir Christine aus der Essensgruppe in der Lausitzer 23, Hinterhaus. Was nicht stimmt – wir haben schon häufig um 7 Uhr miteinander geredet, manchmal sogar stundenlang die Weltlage diskutiert. Und nicht nur mit ihr. Auch mit Johanna und Martin darf mensch die Uhr nicht aus dem Blick lassen – sonst ist der rechtzeitige Aufbruch zum morgendlichen Termin schnell passé.

Es geht aber nicht nur um die großen und kleinen politischen Themen. Jedes Mal, wenn ich aus dem Rheinland nach Berlin zu Besuch komme und im Gästezimmer unter dem Dach wohnen kann – so zwei bis dreimal im Jahr – habe ich als morgendlicher, passionierter Teetrinker ein Problem. Die Zubereitung des Heißgetränks ist technisch äußerst anspruchsvoll. Das Gerät ist dreiteilig: Eine Glaskanne, ein Einsatz und ein Timer, der aufgesteckt und mit Tee befüllt werden muss. Entscheidend ist die Menge des Wasser und die Geschwindigkeit, mit der es eingefüllt wird. Zugegeben, meine technische Begabung hält sich in Grenzen. Aber Tee kochen bereitet mir sonst eigentlich keine Probleme. Nur im Regenbogen. Jedes Mal, wenn ich zu Besuch bin, muss ich mir die Teemaschine, dieses Unikum, wieder auf’s Neue erklären lassen.

Mir ist das peinlich. Auch wenn, meistens Christine oder Johanna, immer wieder ganz geduldig die Funktionsweise erklären. Irgendwie komme ich mir doof vor. Drei Möglichkeiten habe ich mir überlegt: Ich kaufe mir selber so ein Gerät. Aber trotz intensiver Internetrecherche bin ich noch nicht fündig geworden. Das letzte Mal habe ich Christine mit meinem Handy gefilmt. Ein Erklärvideo. Aber es hat laute Nebengeräusche, weil im Hintergrund ein Mixer läuft. Also nicht wirklich brauchbar. Wohl die beste Lösung: Ich komme öfter mal nach Berlin. Damit ich es endlich kapiere.

Unser Freund Gerhard hatte letztes Jahr eine schöne Sache im Gepäck, die wir euch hier auch vorstellen wollen:

https://www.attac.de/audioutopistas

2048 – Szenen aus einer Welt von morgen

In Form einer Collage berichten Ich-Erzähler*innen in dem Hörspiel vielstimmig von ihrem Alltag im Jahr 2048. In dieser Welt gibt es mehr Zeitsouveränität, Gemeinschaft, Solidarität, Selbstbestimmung, Gesundheit und Demokratie. Abgenommen haben dagegen Lohnarbeit, Konkurrenz, Umweltschäden, Gewalt und Krieg. Doch auch 2048 verläuft das Leben nicht ohne Konflikte. Ein Streitthema ist die Verteilung derjenigen gesellschaftlich notwendigen Arbeiten, die kaum jemand machen möchte. Demokratie ist auch im Jahr 2048 noch anstrengend. Dazu kommen die Spuren der Zerstörung, die der bis in die 30er Jahre auf fossilen Energieträgern beruhende Kapitalismus hinterlassen hat.

Als wir das Listening together im Oktober 2020 im Kino machen konnten, hatte sich der lange Winterlockdown schon angekündigt.