– unsortierte Gedanken zu 40 Jahre Regenbogenfabrik
1981, als die Regenbogenfabrik besetzt wurde, war ich gerade nicht in Berlin, weil die Erwerbsarbeit mich an den Rhein gelockt hatte. Da ich aber noch eine Zahnbürste und etwas mehr in Berlin hatte, habe ich die Besetzungen natürlich mitgekriegt. Zehn Jahre früher, war ich selbst bei einer Besetzung dabei. Damals haben wir (die Bürgerinitiative Falkenhagener Feld) im Zusammenhang mit den Besetzungen im Märkischen Viertel, am Mariannenplatz und dem Georg-von-Rauch Haus ein kommunales Clubhaus in einem neu gebauten Stadtteil besetzt, weil es geschlossen werden sollte und weil wir es in Selbstverwaltung übernehmen wollten. Das Polizeiaufgebot, das uns nach drei Tagen Tag-und-Nacht-Besetzung mit Helmen und bewaffnet, herausgetragen hat, vergesse ich nie. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit der Polizei Probleme bekam. Bürgerinitiativen schossen seit 1968 wie Pilze aus dem Boden. Sie trugen die Revolte vom Universitätscampus in die Städte und an die Stadtränder. Als das Bezirksamt uns zum Gespräch „eingeladen“ hatte, und uns vorschlug, wir sollten doch Ruhe geben und endlich praktisch was für die BürgerInnen tun und „Banken“ aufstellen – sie meinten Parkbänke – stellten wir eine auf und schrieben in großen Lettern darauf: „Unruhe ist die erste Bürgerpflicht“. Daraufhin organisierten wir eine Demo bei der es um den Bau einer Schule ging. Es war die größte Demo die das Falkenhagener Feld je erlebt hatte. Die Schule wurde in der „planlos aus dem Boden gestampften Neubausiedlung“ (Zitat von damals) gebaut. Das Clubhaus besteht heute noch – in kommunaler Verwaltung.
Als ich im Jahr 2007 von meinem langen Ausflug an den Rhein nach Berlin zurückgekehrt war, zog ich nach Kreuzberg und lebe seitdem in einem Wohnprojekt in der Nachbarschaft der Regenbogenfabrik am Luisenstädter Schifffahrtskanal, der den Landwehrkanal, den man von meinem Balkon aus sehen kann, mit der Spree verband. Leider wurde der Kanal zwischen 1926 und 1929 zugeschüttet und in eine Gartenanlage umgestaltet, sonst könnte ich mit dem Boot direkt von meiner Haustür aus zu meinen FreundInnen in der „Lausitzer“ schippern. Nun benutze ich eben das Fahrrad oder gehe zu Fuß. Die Regenbogenfabrik ist für mich so etwas wie mein zweites zu Hause geworden. Ich gehe da ins Kino, ins Café, lese aus meinen jeweils neuesten Werken vor, lass dort mein Fahrrad reparieren, von Andy meine Büchlein und Kalender verkaufen, erfahre, dass es noch viele linke GenossInnen gibt, die ebenso wie ich schreiben; andere singen, machen Musik, treffen sich zum griechischen Salon und vieles mehr. Wenn es meine Zeit erlaubt, bin ich dabei; bei den tollen Festen sowieso. Und nicht zu vergessen die Wandergruppe und meine beiden Freundinnen Christine und Johanna, die mich über den ersten Corona-Lock-Down durch gemeinsame wöchentliche Sonntags-Fahrrad-Fahrten gerettet haben, und auch jetzt noch, wo seit November wieder alles geschlossen sein musste, oft mit mir unterwegs sind. Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas oder besser wie eine große Lupe, die Probleme sichtbar macht, die vorher schon vorhanden waren, sagen viele. So geht es auch den selbstverwalteten Projekten. Ich bewundere die Phantasie und die Kraft mit der die AktivistInnen, die Regenbogenfabrik, trotz fehlender finanzieller Mittel, am Laufen halten. Auch jetzt zum 40jährigen haben sie sich so viel ausgedacht, unter anderem diesen blog, eine Ausstellung, zahlreiche Veranstaltungen und Filme, die man zu Hause auf dem Computer sehen kann und ich weiß nicht, was ihnen noch einfällt.
Dennoch hoffe ich, dass wir uns bald wieder „richtig“ treffen können, unseren nächsten Kalender „Wegbereiterinnen“ vorstellen können und mein neues Buch, das in den nächsten Tagen erscheint. Aber nicht nur das, ich bin gespannt, was noch alles passiert, wenn die Räume – und damit mein zweites zu Hause – das zum Glück auf der linken Seite liegt, wenn ich das Tor verlasse, wieder offen sind.
Gisela Notz