Jeder Tag ist Frauentag!

Gisela Notz: Rede am 8. März, dem Internationalen Frauentag, auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin

Liebe Freund:innen, liebe Kolleg:innen,

Ich komme vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, das heute mit einigen anderen Gruppen auf dem Nettelbeckplatz versammelt ist. Ich überbringe solidarische Grüße von allen Mitstreiter:innen. Beim feministischen Kampftag 2023 soll es – nachdem sich hoffentlich auch Corona aus dem Staub gemacht hat – eine Riesendemo geben. Das machen wir gemeinsam. Heute trösten wir uns damit, dass auch schon 1911, am ersten internationalen Frauentag, in Berlin 42 Veranstaltungen gezählt wurden, die alle glänzend besucht waren.

Wir vom Bündnis streiten vor allem für sexuelle Selbstbestimmung und reproduktive Gerechtigkeit und für die vollständige Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. 150 Jahre §218 im StGB sind mehr als genug. Der
§218 ist ein Klassenparagraf und er trifft vor allem arme Frauen. Auch wir fordern die Wertschätzung, gerechte Bezahlung und Verteilung für die Sorgearbeiten und das gute Leben für alles, was Menschenantlitz trägt.
Ich möchte angesichts der aktuellen Situation – schließlich haben wir wieder Krieg, von dem auch wir betroffen sind – auf die Ursprünge des Internationalen Frauentages zurückkommen.

In die Geschichte eingegangen ist er vor allem als Kampftag für das allgemeine, gleiche Wahlrecht auch für Frauen. Eine Forderung, die im Jahre 1919 zwar zum Erfolg führte, aber die Situation der Frauen insgesamt nur mäßig verbesserte, besonders nicht, wenn es sich um unsere Themen handelt. Dass der Internationale Frauentag für die Sozialistinnen von Anbeginn an unter dem Zeichen des Kampfes gegen Militarismus und für die Erhaltung des Weltfriedens stand, ist heute wenig bekannt. Aufgrund des bereits drohenden Ersten Weltkrieges – in den verschiedenen Ländern wurde heftig aufgerüstet – wurde bei der II. Konferenz Sozialistischer Frauen, die am 26. und 27. August 1910 in Kopenhagen tagte, nicht nur der Internationale Frauentag ins Leben gerufen, der auch damals schon mit der Forderung nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen für Frauen verbunden war, sondern auch eine „Resolution, die Erhaltung des Friedens betreffend“ verabschiedet. Die Resolution benannte die durch die kapitalistische Produktionsweise verursachten sozialen Gegensätze als Ursache der Kriege. Die Frauen setzen damals große Hoffnung auf „das kämpfende Proletariat“ als „Armee des Friedens“.
Das Thema „Militarismus und Krieg“ begleitete in der Folgezeit viele Internationale Frauentage. Rosa Luxemburg rief den Arbeiter:innen diesseits und jenseits der Grenze zu: „Du sollst nicht töten!“. Dafür musste sie ein Jahr ins Gefängnis.

Wieder aktuell ist die Rede, die die Textilarbeiterin und Gewerkschaftskollegin Adelheit Popp, bei der großen Demonstration zum Internationalen Frauentag 1911 in Wien hielt. Sie sagte: „Wir wollen aber auch dagegen kämpfen, dass Millionen verschwendet werden für Mordzwecke und Bruderkrieg.
Wir wollen, dass die Mordrüstungen ihr Ende nehmen und diese Millionen verwendet werden für die Bedürfnisse des Volkes!“

Seitdem sind über 100 Jahre vergangen, doch das gilt auch heute noch. Nieder mit dem Krieg!

**********************

Das Beitragsbild erhielten wir aus Griechenland zugeschickt: