What a Trip!

Sommerferien ’86 / Bremen

Die Eltern sind verreist.

Mein Freund Albrecht (genannt Ulbricht, weil er in der SDAJ ist) und ich wollen nach Berlin.

Wir haben nur 50 DM, stellen uns an die Straße und trampen.

Fahrt ins Blaue – ohne Übernachtungsadresse.

In Berlin gibt es viele besetzte Häuser – da kommen wir schon unter.

Gegen Abend sind wir in Kreuzberg. Das erste Mal. Aufregend!

Wir treiben uns rum, gehen in eine Ausstellung.

Galerie Endart, Oranienstraße – Kunst auf Pommes-Pappen, Skulpturen aus Schrott.

Ziehen von einer Kneipe in die nächste.

Irgendwann sind wir müde.

Fragen einen Punk an der Ecke, wo man jetzt am besten pennen kann.

Der sagt ‚Rauchhaus‘.

Wir sollen einfach hingehen, klopfen und ganz laut ‚Rudi‘ rufen.

Das machen wir.


Irgendjemand macht auf, zeigt uns einen großen Raum, wo wir uns hinlegen können…

Wir sehen im Dunkeln nur abstehende Haare und Springerstiefel.

Legen uns todmüde dazwischen.

Am nächsten Tag wachen wir irgendwann auf.

Wir gehen frühstücken – ins Café ‚Jenseits‘.

Bestellen uns 2 feiste Käseteller, Müsli, Milchkaffee, Orangensaft.

Wir haben noch gut die Hälfte von unseren 50 DM.

Ulbricht geht sich rasieren.

Ich soll schon mal bezahlen und stelle fest, daß mein Portemonnaie fehlt. Auch mein Pass ist weg. Scheiße.

Ulbricht kommt von der Toilette zurück: sein Geld und Pass sind auch nicht mehr in seinem Rucksack.

Wir sind aufgeschmissen.

2 ältere Damen am Nebentisch haben Mitleid mit uns und übernehmen die Rechnung.

Jetzt müssen wir erstmal dringend einen neuen Pass auftreiben.

Berlin ist noch eine Insel in der DDR.

Also gehen wir zur nächsten Polizeiwache.

Natürlich fragen sie, wo wir unsere Ausweise haben und wir sagen, wir haben sie verloren – weil wir ja die Leute im Rauchhaus nicht reinreiten wollen…

Sie geben uns ein Formular für einen kostenpflichtigen behelfsmässigen Pass.

Dafür brauchen wir allerdings auch noch ein Foto.

Weil wir ja nun gar kein Geld mehr haben – weder für die Pässe, noch für die Fotos – stellen wir uns an die Gedächtniskirche und schnorren.

Bis wir die nötigen 15 DM zusammen haben, vergehen Stunden.

Endlich laufen wir mit unserem Kleingeld rüber zum Bahnhof Zoo, wo es einen Fotoautomaten gibt. Wir werfen das Geld ein.

Und… nichts passiert.

Ulbricht ist so sauer, daß er kräftig mit seinem Springerstiefel gegen den Automaten tritt.

Plötzlich setzt sich das Ding in Bewegung… und hört nicht mehr auf zu knipsen!

Wir machen zig Fotos in den albernsten Posen und als uns langweilig wird, sagen wir den vorbei gehenden Leuten Bescheid, daß es hier Passfotos umsonst gibt. Das Angebot wird begeistert angenommen. Im Nu bildet sich eine Schlange.


Wir fahren zurück zur Polizeiwache und knallen dem unfreundlichen Beamten unseren Stapel Fotos auf den Tisch. Wir sagen: Bitte! Können sich eins aussuchen!


Den Rest des Tages verbringen wir – wartend auf ein Blitz-Giro von Ulbrichts Tante an eine entfernte Charlottenburger Freundin der Mutter, die ja gar nicht wissen durfte, daß wir in Berlin sind – am Wannsee.

Wir rauchen Joints mit irgendwelchen bunt gefärbten Typen.

Gegen Abend ist das Geld da.

Wir essen uns satt und stellen uns wieder an die Straße zurück nach Bremen.

What a Trip!