Du und Ich: Belästigung im Nachtleben und im Alltag bei Blond

Einer der Hauptgründe, warum Berlin als Stadt international so beliebt ist, ist das Nachtleben.
Berlin ist DIE Stadt der Techno-Musik, der Love-Parade and der Nächte ohne Ende. Leute aus der ganzen Welt kommen her, um ein Teil dieses besonderen Ambiente zu werden und der weitverbreiteten FoMO (Fear of Missing Out) nachzugeben.

Ich auch, obwohl ich mich nicht wirklich als Party-Girl beschreiben würde. Ich mag es, manchmal auch auszugehen, zu tanzen, angetrunken zu sein, mit meinen Freund:innen Erinnerungen zu schaffen.
Doch als Frau sind das Vorbereitungsverfahren und das generelle Erlebnis einer Feiernacht manchmal viel komplizierter als für Männer. Nicht in den großen Zügen vielleicht: man zieht sich schick an, man kauft was zu trinken und man geht voller Erwartung und einem Hauch Unwissen in die Nacht hinein.

Doch als Frau muss man dazu nachdenken, ob das Outfit nicht zu gewagt ist und, ob manche Männer es als Einladung zum Angrapschen sehen würden. Man muss auf seinen Drink aufpassen, dass niemand was reintut und deinen Zustand ausnutzt. Nicht zu betrunken sein. Nicht zu nett sein, aber auch nicht zu unfreundlich. Den Freund:innen Bescheid sagen, wenn du gehst, und wenn du bei dir ankommst, gelegentlich auch einfach am Telefon bleiben auf dem Weg zurück, um sicher zu gehen. Die Schlüssel zwischen den Fingern behalten in der Dunkelheit.
Jede Frau und jedes Mädchen kennt diese Rituale. Trotzdem kommt es immer noch zu schlechten Erfahrungen mit Leuten, die denken, dass sie sich eine freizügige Eintrittskarte zu deinem Körper verdient haben.

Die Chemnitzer Band Blond besteht aus den Schwestern Nina und Lotta Kummer und ihrem Kindheitsfreund, Johann Bonnitz. Auf ihren Debütalbum Martini Sprite (2020) thematisieren sie mehrere Probleme des Frauseins, wie die Tage in Es könnte gerade nicht schöner sein, Mansplaining und Sexismus im Kultur und Musikbereich in Thorsten und in Sie besingen sie einfach die Angst, die uns begleitet, wenn wir allein nach Hause kommen.
In der letzten Veröffentlichung der Band, das Lied Du und Ich, schreiben sie über Belästigung im Nachtleben und auch im Alltag, was als Flirt und unschuldiges Anmachen entschuldigt wird. Sie beschreiben in der ersten Strophe eine Situation im Club, wo eine Frau angegrapscht wird und es als Heiratsantrag versteht, weil es ja eh immer nett und als Kompliment gemeint wird.
Durch ihre Rollenversetzung als „Psycho-Braut“ können sie diese Rhetorik anprangern und sich darüber lustig machen. Man kann sich schwierig vorstellen, dass so eine Belästigung zu einer erfolgreichen Beziehung führt, deswegen scheint es total absurd, es generell zu minimieren und als etwas darzustellen, was nichts mit Sexismus zu tun hat. Noch interessanter ist, dass sie sogar einen Rollentausch machen zwischen Opfer und Belästiger: der Mann, der angegrapscht hat, wird langsam gestalked und zu einer Heirat gezwungen, denn „Ich dachte, das Grapschen war ein Antrag“, statt die Frau, die belästigt wird, weil ihre Kleidung in der Sicht des Mannes vielleicht ein Antrag war.
In der zweiten Strophe machen sie was Ähnliches, aber in diesem Fall bekommt die Frau ein unerwünschtes „Dick-Pick“, also Foto eines Penis, was auch eine strafbare Belästigung ist. Der Vorfall versteht sie dann auch als Versprechen immer zusammen zu bleiben, sich Treue zu schwören und Eltern zu treffen. Sie wundert sich danach, warum er deren Kennenlerngeschichte nie seinen Eltern erzählt, wenn es ja nur immer mit Gutmutigkeit und romantischen Willen gemacht wird.
Das Verhalten der Frau, die den sexuellen Angriff als romantisches Kompliment erlebt, ist nur dadurch entstanden, weil die Gesellschaft Belästigung und sexuelle Angriffe ständig klein macht und entschuldigt. Sie ist nur ein Produkt des Patriarchats geworden.

In cleverer und humorvoller Art vermittelt Blond eine klare Nachricht: diese Art zu denken ist Schwachsinn und man sollte sexuelle Gewalt streng verurteilen und bekämpfen.

Charlotte Castillon-Weiss

PS: https://frauen.verdi.de/aktionstage/tag-gegen-gewalt