Bericht aus Kreuzberg in den 80er Jahren

Liebe Christine,

Du hattest mir vor ein paar Wochen geschrieben, dass du bei der Festschrift für die Regenbogenfabrik sitzt und Zeitzeugen sich doch sicher an die Anfänge erinnern können, um eine lebendige Dokumentation hinzubekommen.

Es gab sogar noch ein Bild mit mir von einem Fest.

Wie soll ich es beschreiben … ich weiß leider keine Details mehr, nur dass es eine bewegte und nicht sehr einfache Zeit gewesen ist. Die Auseinandersetzungen mit der Bullerei, die Aggression, die Einkesselungen waren an der Tagesordnung. Es ging gegen Castor-Transporte, die Aufrüstung im kalten Krieg, die vielen Projekte, die entstanden.

Wir waren viel auf der Straße, es ging um Hausbesetzungen und gegen den Mietwucher…

Damals wie heute.

In der UFA Fabrik fand der TuWat Kongress statt und es herrschte ein babylonisches Ideenchaos.

Durch die Arbeitsgruppe mit Klaus Duntze, „Strategien für Kreuzberg“, die Zusammenkünfte mit dem Stadtrat Orlowsky, wurde ich erst an das Problem der Stadtpolitik herangeführt und lernte Kreuzberg kennen. Dies war aber schon vor 1981.

Mein Liebster, den ich 1981 kennen lernte, wohnte in der Reichenberger Straße, so war ich oft vor Ort, oft auch in der Regenbogenfabrik und Umgebung. Aber ich kann Dir keine konkreten Ereignisse mehr nennen. Ich muss mal suchen, ob ich vielleicht noch ein Exemplar vom „Extradruck“ habe.

Ich wohnte in Schöneberg (immer noch) und wir hatten mit riesiger Anstrengung Stadt und Land ein Wohnhaus weggeschnappt und dort mit einer GBR glaube ich, mit Selbsthilfemitteln das Haus instandgesetzt und es damit vor der Entkernung“ und der Luxusmodernisierung gerettet.

Leider hat sich unsere Gruppe, wir waren 16 Menschen, in Machtkämpfen zerlegt. Es ist ein Modell, was ich weiterhin für wichtig und richtig halte, nur die entsprechenden „erwachsenen “ Menschen mit guter Toleranzschwelle, müssen mitmachen.

Seit Ende der 80er Jahre wohnen wir in Schöneberg. Der Kiez ändert sich rasant. Ihr in Kreuzberg könnt davon ein Lied singen.

Unser Mietshaus hat den sechsten Hausbesitzer, jetzt Akelius, die die Teilungsgenehmigung sowie die Umwandlungsgenehmigung vom Stadtrat der Grünen bekommen haben, sodass unser Verbleib nach 7 Jahren in den Sternen steht.

Es ist wirklich ein Skandal, dass sich in 40 Jahren der Wohnungspolitik kaum etwas geändert hat.

Ich bin heilfroh, dass ich nicht mehr im Wohnungslosenbereich arbeite. Ich würde nur noch abkotzen …

Liebe Christine, ich habe diese Zeilen am 7.April geschrieben, dann in meinen Entwürfen gespeichert, weil ich gestört wurde. Da lagerte der Brief nun in sanfter Ruh – ich wollte Dir aber meine Antwort nicht vorenthalten!

Liebe Grüße und Euch genügend Kraft, allen Widrigkeiten zu trotzen. Weiter so!!

Die Regenbogenfabrik ist zum Nacheifern ein gutes Beispiel.

Herzlichst

M.