in memoriam – Helmut Markmann

Verrückt manchmal. 40 Jahre leben wir in der Stadt, hier im Haus. Viel haben wir erlebt. Wie entsteht dieser Eindruck, dass die ersten fünf Jahre länger scheinen als alle darauf folgenden zusammen?

Alte schwarz-weiß Bilder, selber in der Dunkelkammer abgezogen oder Dias in tief verstauten Kisten. An Mobiltelefone hat noch keiner gedacht, sie als sci-Fi Marotte abgetan, Bilder waren selten. Macht das die Bilder wertvoller, die Erinnerung präziser? Oder ist auch das Illusion?

Die Bilder aus den ersten beiden Jahren im Hinterhaus der Regenbogenfabrik zeigen Helmut. Helmut von Gegensatz. Gute Adresse, wie die Kreuzberg-Novizin bald lernt. Dort wird unter anderem der Südost Express produziert. Das neueste vom Neuen, gedruckt wird nicht mehr mit bleiernen Lettern, sondern im Fotosatz. Wow, ist das nun der Fortschritt, der auch Laien das Gestalten ermöglicht oder ist das der große Jobkiller? Oder endlich der Ausweg in die vier-Tage-Woche?
Fragen, die uns heute weit weg erscheinen und doch wieder neu gestellt werden. Aber das ist jetzt ein Nebenschauspiel, wichtig, aber eine Ablenkung davon, dass es darum geht, einen alten Mitstreiter aus der Besetzerzeit zu würdigen. Und dann gibt es doch nur ganz kleine Erinnerungsschnipsel. Helmut im Liegestuhl mit der taz, super typisch das Bild. Helmut vor dem Café mit Achim und Heinz, den Austausch genießend. Helmut in der Menge der Zuschauer beim türkischen Theaterstück im Regenbogenhof.

Die Bilder, was haben sie ausgelassen? Die Arbeitseinsätze, wenn Helmut sich handwerklich eingebracht hat im besetzten Haus. In den ersten Besetzerjahren jeden Herbst mit Hand angelegt, das Haus winterfest zu machen. Und alte Böden raus gerissen, um den Schwamm zu bekämpfen. Um dann nach getaner Tat mit der „Gourmetgruppe“ immer wieder zum Festmahl zusammenzukommen.

Lange war er im Kollektiv tätig, mit allen Sorgen und Nöten. Einerseits die Freiheit, sich Aufträge aussuchen zu können. Nicht für Kredithaie und auch nicht für jemanden arbeiten, der unbedingt auf Motive mit sexuellem Charakter in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit Wert legt. Sich darüber Gedanken machen können, wer mit den eventuellen Gewinnen unterstützt werden kann.

Ein paar Jahre geht’s gut, dann fressen die Kosten allen die Haare vom Kopf. Die unsolidarische Rechtsform bürdet die Verantwortung den sogenannten Geschäftsführern auf, die kollektive Arbeitsweise zerbricht an den Widersprüchen, man trennt sich.

Helmut arbeitet an anderer Stelle weiter, engagiert sich, weiß wofür. Er will nochmal alles auf eine Karte setzen. Genug Geld, um in Thailand das Leben neu zu beginnen. Dazu kommt es nicht mehr, die Arbeit fordert alles, das Herz hält nicht stand. Im Sommer 1991 stirbt Helmut, bevor er seinen Traum umsetzen konnte.

chz