Kreuzberger Kinder malen wie sie den 1. Mai erlebt haben

1989 | Was dahinter steckt: Wieder einmal hat es am 1. Mai Randale gegeben, und wieder einmal reden sich alle die Köpfe heiß über die Ursachen, die Folgen und „wie soll das alles weitergehen“. Es werden Schuldige gesucht, Kommissionen gebildet, über Strategien gestritten, und es wird kräftig ausgeschlachtet, in alle politischen Richtungen.

Ein Aspekt, dessen Wichtigkeit nicht zu unterschätzen ist, ist dabei bisher immer zu kurz gekommen oder gar nicht diskutiert worden: Wie erleben und verarbeiten das alles eigentlich die Kinder die in diesem Bezirk leben und mit all dem konfrontiert werden? Was stellen sie in ihrer Fantasie mit den Erfahrungen an und welche Folgen wird das haben?

Was geht in einem Kind vor, das zum ersten Mal Tränengas in den Augen spürt und in Panik aus einer eben noch absolut friedlichen, idyllischen Situation fliehen muss oder das bei einbrechender Dämmerung im Schein brennender Barrikaden selbst zur Latte greift und die friedlich vor ihm stehende Ampel demoliert?

Wir wissen nicht, was in diesen Kinderköpfen vorgeht, und wir wissen nicht, was daraus einmal werden wird. Allseits bekannt hingegen ist, dass die Kinder von heute die Jugendlichen von morgen und die Erwachsenen von übermorgen sein werden und damit auch die Wähler, die Steineschmeißer, die Duckmäuser, die Reps oder die Bullen von morgen oder übermorgen.

Aus diesem Grunde haben wir uns zu diesem Aufruf entschlossen: Kreuzberger Kinder sollen malen, was sie am 1. Mai erlebt haben, oder darstellen, wie sie es erlebt haben. Wir wollen daraus eine Ausstellung machen. Wir bitten alle Eltern und speziell auch BetreuerInnen in Kreuzberger Kitas, bereits vorhandenes Material einzusenden und ebenso die Kommentare der Kinder aufzuschreiben bzw. ihre Kids dazu aufzufordern, Bilder zu malen oder darüber zu reden, was ja auch Verarbeitung des Erlebten sein kann (das Un-Wort „einstückweit“ hab ich zensiert, d.s.).

Geplant ist zunächst, die Ergebnisse in der Regenbogenfabrik auszustellen und damit eine Diskussion anzuregen, die viel früher ansetzt als alle bisher geführten, und die vielleicht zu Erkenntnissen führen kann, die für die nähere und fernere Zukunft (dieses Bezirks) nicht ohne Belang sind.

Susanne und Anette von der Regenbogenfabrik

Einsendungen mit Vornamen und Alter des Kindes und auch mit den dazu abgegebenen Kommentaren bitte an: Regenbogenfabrik z.Hd. Susanne Merian Lausitzer Straße 23

Auch Erzählungen oder Sprüche ohne Bild sind erwünscht.

2021 | Wir haben uns erkundigt, was damals aus dem Aufruf geworden ist. Es schlugen die Wogen wohl zu hoch in diesen Zeiten, es kam nicht eine Einsendung. Die Frage jedoch bleibt aktuell: Wie ergeht es den Kindern mit dem, was die Erwachsenen so auf die Beine stellen? Zwischen Street-Fighting- und Robocop Auftritt?