Trenntoiletten in Sieben Linden

Wie bei allen Themen, bei denen mensch sich entscheidet, es genauer wissen zu wollen, tut sich hier ein Reich von Fragen auf. Wir beantworten hier nur einige.

Wieso kommen Leute drauf, in ihrer Wohnung Trenntoiletten einzurichten? Seit den Zeiten von James Hobrecht und den schlimmen Erfahrung in Zeiten der Cholera in den Großstädten scheinen doch alle froh darüber, dass es ein etabliertes System gibt. Ok, am Rand, beim Campen, auf einem Festival, draußen in der Pampa, da gibt es keine Wasserleitung, da ist es gut, eine Alternative zu haben. Wieso tun sich Leute das an, da was Neues auszutüfteln? Was irre viel Arbeit macht und auch heißt, die Scheiße auch mal umzurühren, damit was Gutes draus wird.

Aber es gibt Gründe. Wasser sparen ist nur der offensichtlichste. Nachdem der ehemalige Hof, auf dem mit Sieben Linden alles begann, nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen war, entschieden sich die Leute, in ihren Häusern keine Wassertoiletten zu installieren und dies als Teil des ökologischen Projektes zu nutzen. So setzten sie von Beginn an konsequent selbst entwickelte Komposttoiletten mit Urinseparation ein. Ihre Komposttoiletten tragen dazu bei, dass bei ihnen ca. die Hälfte des Wasserverbrauches im Vergleich zum Bundesdurchschnitt verbraucht wird. Auch ist ihr Abwasser erheblich weniger verschmutzt. So benötigen sie eine deutlich kleinere Pflanzenkläranlage als dies mit Wassertoiletten der Fall wäre.

https://playground.siebenlinden.org/de/wasser-jeder-tropfen-zaehlt

Wenn wir tiefer einsteigen, kommen noch andere Vorteile zum Tragen. In Pippi und Kacka steckt nämlich noch einiges drin, das es wert ist wieder benutzt zu werden. Und das ist einfacher zu gewinnen, wenn es nicht erst in eine Kläranlage fließt, aus der es aufwändig wiedergewonnen werden muss. Durch den Gehalt an Stickstoffverbindungen (bei Säugetieren einschließlich der Menschen vor allem Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin), Phosphaten sowie Kalium- und Calciumsalzen u. a. m. kann Urin als Lieferant von Pflanzennährstoffen dienen. Exkremente können in nähstoffreichen Humus umgewandelt werden.

Es war einmal ein Plumpsklo im Briesetal

Die Leute in Sieben Linden schreiben: „Für verschiedene Zwecke nutzen wir verschiedene Varianten von Komposttoiletten. Wir sind intensiv im Austausch mit anderen Komposttoiletten-Erfahrenen, um zum einen für die Nutzer*innen den Komfort zu erhöhen, und andererseits die Wertstoffe in den Fäkalien gut weiter verwenden zu können.

Derzeit nutzen wir den Kompost aus Fäkalien nur für Hecken- und Baumpflanzungen, und den Urin mit seinen wertvollen Rohstoffen (Phosphate werden immer knapper!) nur in Einzelfällen.

Wir sind überzeugt davon, dass die Nutzung der Nährstoffe in unseren Fäkalien noch verbessert werden kann und sind derzeit am Recherchieren, wie wir unsere „Nährstoffkreisläufe“ sinnvoll schließen können. Unser Ingenieur Werner Dyck hat zu unserem augenblicklichen Stand und den möglichen Perspektiven ein ausführliches Dokument erstellt.

Die Fäkalien kommen auf unsere genehmigte Kompostanlage, wo der Kreislauf geschlossen wird und aus den Fäkalien wieder wertvolle Nährstoffreiche Erde wird. Diese wird für Baum- und Strauchpflanzungen verwendet. Auch für diesen Prozess suchen wir schon nach Alternativen. Denn auch beim Kompostierungsprozess werden klimaschädliche Gase frei. Ebenso kommt die Anlagengröße bald an ihren Grenzen und reicht noch nicht aus für eine geplante Dorfgröße von 300 Menschen. Aktuell experimentieren wir mit einer kleinen Biogasanlage, in der aus den Fäkalien statt Komposterde Biogas und Flüssigdünger entstehen. Das Biogas kann wiederum zum Kochen verwendet werden und das zugekaufte Propangas teilweise ersetzen. Was zurzeit noch ein Experiment ist, könnte in Zukunft eine Lösung für anfallende Küchenabfälle und Fäkalien werden.“

https://siebenlinden.org/de/oekodorf-sieben-linden/oekologie/kompost-toiletten

Und wer noch richtig sich reinnerden will, findet hier im Podcast aus Sieben Linden weitere Informationen:

https://playground.siebenlinden.org/de/folge-18kacke-kompost-geschaefts-fuehrung-packt-an-champa-stefan-jungbluth/

zu allen praktischen Fragen sei auch hierauf verwiesen: https://www.kildwick.com/de/faq

Denn meine Lebenserfahrung zeigt: Es gibt auch schwierige Zeiten der Verdauung und nicht alles, was wir der Tonne übereignen, ist für den späteren Gebrauch geeignet. Nicht umsonst wird, bei Krankheit darum gebeten: Ist der Durchfall die Folge einer Erkrankung, solltest du von einer Kompostierung der Feststoffe absehen und den Beutel gut verschlossen über den Hausmüll entsorgen.

Das zeigt: alles gewöhnungbedürftig und vielleicht hätte es am Anfang eine Triggerwarnung geben müssen: Nicht zum Frühstück lesen. Sich dieser Art von Geschäft zu widmen ist allerdings auch ein ehrenwerter und wichtiger Beitrag zur Gemeinschaft. Und es ist nur gerecht, wenn alle sich damit beschäftigen. Und wie wichtig der Zugang zu sauberen Toiletten ist, das zeigen viele Initiativen spätestens am Welttoilettentag.

https://regenbogenfabrik40.blog/2021/11/19/welttoilettentag-19-november/

Text und Fotosammlung: chz