Land der Simone de Beauvoir und der Olympe de Gouges – Frankreich hat definitiv den Ruf, große Feministische Autorinnen zu erzeugen. Peinlich ist mir aber, dass obwohl ich Le deuxième Sexe (das andere Geschlecht, 1949) und Déclaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne (Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin, 1791) besitze, sie nur kurz und faul durchgeblättert habe.
Ich bin steinharte Feministin, habe auch viel während meiner Studentenzeit im Milieu mitgewirkt und sogar mit meinen Freundinnen einen feministischen Verein in meiner Uni gegründet, „Bas les Pattes“ (so was wie „Finger weg“). Konzepte und Realitäten des Kampfes kenne ich ganz gut, da wir sie durch und durch diskutiert und debattiert haben. Aber wenn akademisches Wissen zum Thema wird, bin ich manchmal ein wenig faul. Ich meine, um feministisch zu sein, braucht man ja nicht immer Bücher! Besonders so alte, die nichts mehr mit unserer Realität zu tun haben! Okay, Entschuldigung, diese Werke sind ultrawichtig und auch immer noch relevant, aber ich will nur auf den Punkt bringen, dass der heutige Feminismus weitaus diverser ist als früher und mehr zu sagen hat.
Andere Bücher, nicht-akademischen Kreisen mehr zugänglich, wurden geschrieben und setzen sich als auschlaggebend in der jetzigen französischen Gesellschaft durch.
Zwei Werke der heutigen französischsprachigen Literatur stechen immer hervor als durchbrechende Lektüren zur feministischen Entwicklung von jungen und auch weniger jungen Menschen in Frankreich.
Erstmal King Kong Theorie von Virginie Despentes:
Der Essay von 2006, geschrieben in einem sehr rohem Vokabular, verursachte Aufruhre in der Literatur- und Aktivistenwelt und wurde als „neo-feministisches Manifest“ gesehen.
Das Werk von Despentes erzählt von eigenen Erfahrungen mit Prostitution, Vergewaltigung, Pornographie und weiblicher Sexualität und zeichnet eine Bestandsaufnahme des aktuellen Feminismus in Frankreich und dessen Zukunft. Eine Punk-Rock Beschreibung der weiblichen Unterdrückung und ein Must-read für jede:r Feminist:in.
Die deutsche Übersetzung des Buches findet man beim KiWi-Verlag (https://www.kiwi-verlag.de/buch/virginie-despentes-king-kong-theorie-9783462052398)
Mehr zu dem Buch:
https://msternchenw.de/king-kong-theorie-das-schonungslose-feministische-manifest-der-subversiven-franzoesischen-autorin-virginie-despentes/
Das zweite Werk ist Hexen: die Unbesiegte Macht der Frauen von Mona Chollet, eine Schweizerische Autorin und Journalistin. 2018 ist dieses Buch in Frankreich herausgekommen und es hat meine Perspektive über Mutterschaft und Misogynie neu aufgebaut. Thema des Buches ist vorwiegend die Figur der Hexe und wie sie mit allem verbunden ist, was der patriarchalen Gesellschaft und seinen Bild der Frau Angst macht: alt, hässlich, machtvoll, unabhängig und ganz besonders, ohne Kinder. Warum werden Frauen ohne Kinder so viel mehr stigmatisiert als Männer ohne Kinder? Warum wird ein alternder Mann mit grauen Haaren als sexy gesehen aber Frauen über 50 Jahren werden in Mediendarstellungen gelöscht und ignoriert?
Diese Fragen werden parallel mit der Geschichte von Hexenjagden im XVI. und XVII. beantwortet, und Spoiler: viel hat es mit Frauenhass zu tun. Durch dieses Buch wird auch die Wiedereroberung (Reappropriation) der Figur der Hexe als feministische Ikone erklärt, was die Entstehung von dem W.I.T.C.H-Gruppen (Women’s International Terrorist Conspiracy from Hell) in den Vereinigten Staaten oder das Witch Bloc bei Demos in Frankreich, begründet.
Das Buch ist in 2020 vom Verlag Nautilus auch auf Deutsch übersetzt und herausgegeben worden: https://edition-nautilus.de/programm/hexen/
Mehr zum Buch:
https://frauenseiten.bremen.de/blog/hexen-die-unbesiegte-macht-der-frauen-von-mona-chollet-eine-buchempfehlung/
Diese Bücher sind sehr interessant und erleuchtend über die Bedingungen der Frauen in Frankreich der aktuellen Zeiten.
Für mich sind sie auf jeden Fall unumgänglich in meiner feministischen Entwicklung.
Wer weiter liest, kämpft weiter.
Charlotte