in memoriam – Kostas Kouvelis

Kostas hat als Stadtplaner und Architekt die Regenbogenfabrik von Anfang an begleitet. Ja, erforscht hat er sie sogar schon vor der Besetzung. Von wie vielen Stunden fachlicher Begleitung wir profitiert haben, das lässt sich gar nicht ermessen und wie unendlich viele wichtige und tolle Fotos aus unserer Vergangenheit stammen von ihm. Viele könnt Ihr auch im Archiv des FHXB-Museums finden.
Im Jahr 2008 war Kostas schließlich von uns beauftragter Architekt bei der Instandsetzung des zentralen Kulturteils (Kino, etc.) und dem Neubau des Kantinen‐ und Hostel‐Bereichs.

Guter Freund, gesehen haben wir dich dann oft noch beim Griechischen Salon, da wusstest du schon, dass der Abschied bevorstehen würde.

Lassen wir an dieser Stelle Kostas selber zu Wort kommen mit seinem Beitrag zum 25-jährigen Jubiläum der Regenbogenfabrik:

Im September 2004 besuchte ich wieder die Regenbogenfabrik, anlässlich des „Tages des offenen Denkmals“. Zum ersten Mal nach 14 Jahren!
Ich war gespannt, was ich vorfinden würde.

Ich kannte sie gut, die Regenbogenfabrik. Es war ja ein „Projekt“ der IBA, der Internationalen Bauausstellung Berlin 1987, wo ich damals beschäftigt war und ich hatte vom Anfang an dieses Projekt „betreut“, von der Besetzung der Wohn- und Gewerbegebäude im Jahr 1981 über die Gestaltung des Nutzungskonzeptes bis hin zu den Verhandlungen mit Eigentümern und Senatsverwaltungen – mit dem Ziel der Legalisierung.
„Betreuen“ ist natürlich ein völlig falsches Wort: die kleine Regenbogen-Gemeinde ließ sich nicht betreuen; sie hatte feste Ziele, Strukturen und Verfahrensweisen. Der Kampf war gegen die Stadtzerstörer, gegen die Verwertungsmechanismen der Wohnungen als Profitmaximierung, gegen die Förderungsmentalität und die Abschreibungsgesellschaften. Die Zeiten waren damals anders im West-Berlin der achtziger: Wohnungsnot, kaputte Stadtteile, Filz in den Verwaltungen und der Baubranche. Aber auch Aufbäumen, Reaktion auf die Zerstörung, Erprobung neuer Lebens- und Wohnweisen, Widerstand gegen die öffentliche Subventionierung der Stadtzerstörung, gegen die selbstlaufende Maschinerie der Kahlschlagsanierung. Lichtblicke und Hoffnungsschimmer im Kampf um behutsame Stadterneuerung: die Besetzungen leer stehender Gebäude, Instandsetzungen, Basisdemokratie, Umkehrung der Entscheidungsstränge, Nachbarschaft.

Ein Kinder-, Kultur und Nachbarschaftszentrum wollte die Regenbogenfabrik werden. Diese Ziele waren nicht akademisch abgeleitet: sie wurden von dem Fehlbedarf des Stadtteils diktiert. Schwer für manchen Bezirks- und Senatspolitiker, sich so etwas konkret vorzustellen, wo doch der Staat für die Bedürfnisse der Infrastruktur zuständig zu sein hatte, wo er die Hierarchien und die bezirklichen Notwendigkeiten zu entscheiden hatte.
Und nun kommt eine handvoll junger Leute, tun sich zusammen, formulieren selbstbewusst die nachbarschaftliche Bedarfslage und setzen ihre Ziele Schritt für Schritt um: Kino, Kinderkino, Fahrradwerkstatt, Tischlerei, Elterninitiativ-Kita, Musikübungsraum, Spielplatz auf dem Hof. Mit fast nur Selbsthilfe und mit sehr wenigen, phantasievoll gesammelter öffentlichen Mitteln. Kein Abriß, sondern Instandsetzung und Nutzung der Gebäude, zum Leben, Wohnen, Arbeiten.

Neben vielen anderen ähnlichen Projekten im Stadtgebiet Kreuzberg SO 36 war der große Hof mit den umliegenden Wohngebäuden in der Lausitzer Straße 22 zum Innbegriff des Kreuzbergers unbeugsamen „gallischen Dorfes“ geworden. War das ein kurzlebiger Traum? Getragen durch die fast revolutionäre Woge der achtziger Jahre? Würde das Projekt die neunziger überleben? Ohne die „Käseglocke“ (Zitat: Prof. H.-W. Hämer) der IBA? Ohne die Förderungen in den Nach-Wende-Zeiten? 

Mit diesen Gedanken ging ich an diesem September 2004 in den großen Hof hinein und traute meinen Augen nicht: Eine Idylle inmitten der Großstadt, mit viel Grün, mehreren großen Bäumen, dezent gepflasterten Bereichen mit den Frühstückstischen der Jugendherberge, gestrichenen bunten Fassaden, instand gesetztem und modernisiertem Wohnhaus, voll mit Leben, Kindern, jungen Leuten, Erwachsenen…
Zu den früheren Teilprojekten sind nun die Töpferei und das Jugendhotel dazugekommen. Sonst war alles noch da und in Betrieb. Unvorstellbar, unfassbar! Das Erstaunlichste vor allem: es waren zum größten Teil dieselben Leute, die vor 14 Jahren das ganze Abenteuer begannen! Keine Eintagsfliege also, keine verflogene Sozialromantik, keine Spielwiese für große Kinder, sondern harte, unbeirrbare Arbeit, mit Durchsetzungsvermögen, Fantasie und konzeptioneller Organisation. Aber auch keine Insel der Glückseligkeit; die Regenbogenfabrik ist fest verankert in die Nöte und die soziale Lage des Kiezes.

Es zeigt sich für mich auf eindrucksvoller Weise, wie Stadterneuerung, die in den Händen der Bewohner liegt, funktioniert, wie ihre Ziele und ihre Arbeit in der Tat die Stadt erneuert. Mit der vorhandenen Bausubstanz, mit wenigen, behutsamen und notwendigen Eingriffen. In dieser damaligen, speziellen, fast auswegslosen Situation in diesem Kreuzberger Kiez haben die Leute Nischen entdeckt oder auch neu gestaltet; sie haben sie besetzt und mit neuen Inhalten gefüllt. Und aus den Nischen sind standhafte Wohn- und Lebensbereiche geworden, eine neue Nachbarschaft entstand, wo das soziale Miteinander wichtiger ist als das desolate Nebeneinander. Aus diesen Nischen sind sinnvolle Strukturen gewachsen, die neue Arbeitsplätze geschaffen haben, wo diese Arbeitsplätze anders definiert werden als in der Wirtschaftstatistik… 

Das alles zeigt, wie richtig diese Menschen agiert haben. Es zeigt auch, dass manche wenige Politiker dieser Zeit dies erkannt haben. Es zeigt aber auch schließlich, wie richtig die damaligen Zielsetzungen der „behutsamen Stadterneuerung“ gewesen sind und ebenso, wenn man sich umschaut, wie wenig diese Zielsetzungen von manchen heutigen Politikern und Stadterneuern verinnerlicht wurden.

Viel Glück Regenbogenfabrik, und viel Spaß auch bei den nächsten 25 Jahren!  

Kostas Kouvelis
Berlin, 31.01.2006

2010 Geburtstag Regenbogenfabrik
Team IBA
2017 Griechischer Salon

Einige von den tollen Fotos von Kostas hat der Tip mal veröffentlicht. Hier findet ihr eine Zeitreise in Kreuzbergs 80er Jahre: https://www.tip-berlin.de/stadtleben/geschichte/kreuzberg-1980er-jahre-fotos-geschichte-zeitreise/
Dank an Jacek Slaski für seine dortige Auswahl!

Unsere Fotos:
Peter Grosch (1981, Titel)
Christine Ziegler (2010, 2017)