Der Traum von der „Selbstverwirklichung“ und der Symbiose von „Leben und Arbeiten“ stand am Anfang der Geschichte der Regenbogenfabrik. Allerdings erforderten die noch heute nachweisbaren Hinterlassenschaften des Vorbesitzers, der Chemiefabrik ALCA, 1982 einen Austausch des Boden im Fabrikhof bis zur tiefe von 2 Metern. Das machte uns anschaulich klar, welche Auswirkungen ein Wirtschaften ohne Berücksichtigung der ökologischen Auswirkungen hat. Der Beitrag zur Entwicklung einer umweltverträglichen Lebens- und Arbeitsweise war deshalb von Anfang ein wichtiges Kriterium bei Aktivitäten und Entscheidungen in der Regenbogenfabrik.
Bei der zwischen 1991 und 1995 in Selbsthilfe durchgeführten Instandsetzung und Renovierung des Hinterhauses spielten ökologische Aspekte deshalb eine besondere Rolle. Über die damals üblichen Renovierungsstandards hinaus wurden eine Dachbegrünung und eine Regenwassernutzungsanlage installiert. Außerdem wurden umweltverträgliche und ökologische gut abbaubare Farben, Lacke und Baustoffe verwendet sowie mehr Wärmedämmung als damals vorgeschrieben und eine effizientere Wärmeversorgung eingebaut. Da die zusätzlichen Ausgaben hierfür nicht durch die Förderung des Senats im Rahmen des Selbsthilfeprogramms gedeckt waren, mussten sie durch vermehrte Eigenleistungen der Bewohner:innen finanziert werden.
Aber das hat sich gelohnt. 2015 haben wir analysiert, wie sich der Klimafußabdruck einer Bewohner:in des Hinterhauses von dem Bundesdurchschnitt unterscheidet: Insgesamt sind die jährlichen CO2-Emissionen pro Bewohner:in des Hinterhauses um fast ein Drittel niedriger als der Durchschnitt (Klimaschutz durch Konsument:innen). Diese Reduktion wird einerseits durch das emissionsärmere Hinterhaus (insbesondere Strom- und Wärmeversorgung), andererseits aber auch durch das ökologische und klimabewusste Verhalten der Bewohner:innen (weniger Flugreisen, Zug statt Pkw, fleischarme Ernährung, etc.) und nicht zuletzt durch gemeinschaftliches an sich Wohnen bewirkt. Wenn Geräte wie Waschmaschinen oder Räume gemeinschaftlich genutzt werden, können sie besser ausgelastet werden und verursachen entsprechend weniger Emissionen. Die Wohnfläche pro Bewohner:in liegt bei 13% unter dem Durchschnitt. Das trägt dazu bei, dass weniger Emissionen durch Heizen entstehen.
Die Analyse hat aber auch gezeigt, dass die pro-Kopf-Emissionen im Hinterhaus noch immer dreimal so hoch sind, wie langfristig als global verträglich gilt (2 t CO2/Person). Dies liegt unter anderem daran, dass ein Teil der Emissionen nicht direkt von den Bewohner:innen beeinflusst werden kann, z.B. Emissionen, die durch die öffentliche Dienstleistungen oder Infrastruktur entstehen, und weil ein nicht unwesentlicher Teil der Emissionen, die durch privaten Konsum entstehen, methodisch nicht weiter differenziert und daher mit bundesdurchschnittlichen Werten den Bewohner:innen des Hinterhauses angerechnet werden.
Damit langfristig eine vollständige Dekarbonisierung möglich ist, muss die Wärmeversorgung mittelfristig aber auf Technologien umgestellt werden, die vollständig ohne fossile Energieträger auskommen. Und selbstverständlich muss auch die Stromversorgung sowie die öffentlichen Dienstleistungen und der sonstige Konsum möglichst weit vor 2050 vollständig auf erneuerbare Energieträger umgestellt sein. Ein Teil des Weges in Richtung Dekarbonisierung ist also bereits zurückgelegt. Aber wir sind noch nicht am Ziel und das werden wir nur erreichen, wenn es neben den Reduzierungen im eigenen Umfeld hinreichenden politischen Druck für die Transformation zu einer klimaverträglichen Gesellschaft gibt.
Martin Cames
