Die freundschaftliche, solidarische und bereichernde Beziehung zwischen der Regenbogenfabrik und Cecosesola besteht nunmehr seit einer ganzen Reihe von Jahren. Seit Cecosesola im Jahr 2006 am ersten Internationalen Kongress für Solidarisches Wirtschaften teilnahm, war die Regenbogenfabrik einige Male unsere Unterkunft und die Möglichkeit, unser Lebensprojekt aus und in Venezuela vorzustellen. Seit wir entdeckten, wie wesentlich die gesellschaftlichen Beziehungsgeflechte von unseren jeweiligen kulturellen Kontexten geprägt werden, wurden die Bemühungen um eine kulturelle Transformation sozusagen zu dem unser Projekt erhellenden Regenbogen.
Cecosesola, 1967 als Kooperativendachverband gegründet, ist heute ein Netzwerk von etwa 50 kommunitären Organisationen, das sich auf 7 Bundesstaaten Venezuelas ausgebreitet hat. Seit mehr als 45 Jahren kümmern wir uns um einen Prozess der kulturellen Transformation. Dieser konzentriert sich darauf, andere Wege als die der patriarchalisch geformten Beziehungsgeflechte zu entdecken und zu beschreiten; und so versuchen wir, dazu beizutragen, dass jene Kultur, die seit Tausenden von Jahren zur Herrschaft weniger Menschen über viele andere, einschließlich der Natur, geführt hat, allmählich verschwindet.
Wir versuchen, ein Wohlbefinden zu fördern und viele Familien und Organisationen darin einzubeziehen, welches entsteht, sobald wir diese Herrschaftsverhältnisse verwischen und harmonische Beziehungen des Vertrauens, der gegenseitigen Unterstützung, der Empathie, des Mitgefühls und der gesellschaftlichen und persönlichen Verantwortlichkeit aufbauen.
Auf dieser gemeinsamen Reise haben wir Wege entdeckt, diesen Prozess der kulturellen Transformation zu erzeugen, inmitten einer Kultur, die andere Emotionen, Einstellungen und Verhaltensweisen unterstützt, welche jeden Versuch der Transformation verlangsamen oder verwässern und ihn oft auf eine oberflächliche Veränderung lediglich der Form reduzieren.
Unter anderem haben wir, indem wir unserem Bildungsprozess Priorität einräumten, ein Produktions- und Vertriebsnetz aufgebaut, das 280 landwirtschaftliche Erzeuger, 7 Einheiten handwerklicher Produktion und 20 Märkte umfasst, die die Hauptversorgungsquelle für 100.000 Familien in der und um die Stadt Barquisimeto sind. Wir haben ein Gesundheitsnetz in fünf verschiedenen Zentren in Barquisimeto eingerichtet, in denen bis zu 230.000 Menschen im Jahr mit gesundheitlichen Problemen zu uns kommen, und wir haben aus eigenen Aktivitäten und Mitteln unser sog. Integrales Kooperatives Gesundheitszentrum aufgebaut. Dort gibt es zwei Operationssäle, 20 Krankenhausbetten und auch Sprechstunden konventioneller sowie alternativer Medizin. Insgesamt bedeutet das Gesamte unsere kommunitären Dienste eine Ersparnis von 15 Millionen Dollar pro Jahr im Vergleich zu den Preisen, die anderswo in Barquisimeto gezahlt werden müssen.
Und was vielleicht noch wichtiger ist, dass es sich um einen Prozess handelt, der nicht auf die mit dem Netzwerk verbundenen Mitarbeiter beschränkt ist. Es handelt sich um einen offenen Prozess ist, der auf jeden ausstrahlt, der sich mit ihm identifiziert, insbesondere auf unsere Familie und Freunde sowie auf die Zehntausende von Menschen, die wegen der Qualität und Erschwinglichkeit unserer Dienstleistungen zu uns kommen.
Innerhalb des Netzwerkes gibt es keine festen Posten, wir setzen so weit als möglich auf Rotation. Und so gibt es keine Chefs, keine ManagerInnen, keine VorarbeiterInnen, kein Organigramm, das von oben nach unten verläuft. In vielerlei Gesprächsrunden, die so etwas wie der rote Faden unserer Kommunikation ist, kristallisieren sich immer wieder sog. kollektive Kriterien heraus, welche Orientierung für konkrete, kollektive Entscheidungsprozesse bilden. Dabei sind wir immerhin 1 200 TeilnehmerInnen.
Und dies in einer Welt des Wettbewerbs, die uns mit der kulturellen Dualität, des Guten gegen das Schlechte, der Grenzen, die trennen, imprägniert. Die tägliche Konfrontation mit der Macht veranlasst uns, Verhaltensweisen anzunehmen, die typisch für die Kultur sind, die wir umwandeln wollen: die Kontrolle von Informationen mit der Rechtfertigung, dass der Feind nichts wissen darf, die Manipulation im Hinblick auf unmittelbare Ziele, die Nutzung des Anderen oder der Anderen im Hinblick auf das Gewinnen des Wettbewerbs. Mit anderen Worten: Sie kontaminiert uns mit den Emotionen und Logiken, die Herrschaftsverhältnisse nähren.
Deshalb ist unser Weg, der ja nur einer von Tausenden Transformationsmöglichkeiten ist, kein einfacher. Er ist eher zerbrechlich, da er von keiner fixen Organisationsstruktur getragen wird. Doch nach 53 Jahren und in Zeiten der Pandemie gehen wir ihn mit Leidenschaft weiter. Und die Bevölkerung tut das ihre: bei einer Umfrage über Cecosesola gaben vor ein paar Jahren 95% der Befragten ihrer Meinung Ausdruck „aktiv alles Erdenkliche zu tun, um zu verhindern, dass Cecosesola Schaden zugefügt werde.“
https://diebuchmacherei.de/produkt/auf-dem-weg-gelebte-utopie-einer-kooperative-in-venezuela/