Im Frühling 2025 waren wir zu Besuch im Öko-Dorf Sieben Linden. Eine liebe Bekannte hatte sich entschlossen, ihren Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen. Sie hatte alle wichtigen Prozesse und Entscheidungen hinter sich und war bereit, den Umzug zu starten. So war unsere Neugier endlich groß genug gewachsen. Wir wollten zwar längst alles mit eigenen Augen sehen, doch der Entschluss, zu fahren war immer wieder nicht kräftig genug. Denn eine Herausforderung ist es schon, mit Bus und Bahn von Berlin bis in die Altmark zu kommen. Zwei Regionalzüge und zwei Busse, dann standen wir dann aber doch auf der zum Dorf gehörenden Wendeschleife an der Bushaltestelle und wurden liebevoll empfangen.
Wir sind voll mit großen Erinnerungen in die Stadt zurückgekehrt. Ich muss dazu sagen, dass ich das Leben auf dem Lande in früher Jugend schon hatte und es nicht sehr cool fand. Freunde waren immer anderswo, die Busverbindungen miserabel, Kultur gab es nur in der Stadt. Ich war gepolt auf Landflucht, rein in die Stadt. Und ein bisschen gilt das bis heute. Und was hat mich nun – ganz gegen diese Voreinstellung – an dem Ökodorf fasziniert? Dem möchte ich mich in einzelnen Bereichen nähern. Seid also bereit für Fortsetzungen der Erzählung.
Das Ökodorf ist ein Gegenentwurf zum isolierten Wohnen, zur kulturfreien Zone, es bietet jede Menge soziale Kontakte vor Ort. Und oben drauf treffen hier Leute zusammen, die es ernst meinen mit der Nachhaltigkeit. Sie wollen dringend ihren ökologischen Fußabdruck verringern. Sie wollen beweisen, dass eine andere Welt möglich ist. Und das meinen sie nicht nur technisch, sie haben sich auch viel Gedanken über das Zusammenleben und ihre wirtschaftliche Organisation Gedanken gemacht. Themen also, die uns als Bewohner:innen eines Selbsthilfehauses so richtig fragelustig machen. Also nichts wie rein in die Erforschung der anderen Welt, die da am Horizont leuchtet!


Zurück zur Wendeschleife: Gleich waren wir umfangen vom eigenen Flair des Ortes. Denn ab jetzt galt: autofrei und Handy aus. So kamen wir gleich beim ersten Schritt ins Dorf hinein ins Gespräch über die Regeln der Gemeinschaft, ein Gespräch, das über das ganze Wochenende nicht abriss. Denn es ist schon sehr auffällig, wie sorgfältig die einzelnen Aspekte des gemeinsamen Lebens durchdacht worden waren. Und wir trafen immer neu Menschen, die bereit waren, ihre Erfahrungen zu teilen und zu diskutieren.
Auch wenn die baulichen Aufgaben und der große Selbstversorgergarten schon beeindruckende Werke sind, die soziale Architektur beschäftigt einen dann schon ganz besonders, wenn eine gute Freundin so einen Schritt wagt und wir wissen wollen, wie es ihr damit geht.
Last but not least war der Umgang mit den ungewohnten Kompost-Toiletten einerseits faszinierend, aber die Phantasie konnte Einem auch durchgehen: Was wohl passiert, wenn einen die Verdauung besonders plagt? Alles Gewohnheit, klar.
Aber Schritt für Schritt. Fange ich die Erzählung mal an mit den offensichtlich besonderen Dingen und das sind vor allem die Strohballenhäuer, die inzwischen dreistöckig in den Himmel der Altmark ragen. Das ist ein sichtbares Statement! Hier geht es um Nachhaltigkeit, um Hygiene und gesundes Wohnen. Strohballenhäuser können weitgehend mit lokalen Baumaterialien hergestellt werden, was bereits den eigenen CO2-Fußabdruck reduziert. Und drinnen wohnt es sich gemütlich und gesund und vielleicht, bei sonniger Lage, sogar ohne Heizung! Doch geht es nicht nur um das einzelne Haus, es geht vor allem darum, diese Bauform auch in der Gesellschaft durchzusetzen, die Machbarkeit, die Sicherheit und die Finanzierbarkeit stehen da im Vordergrund.
Und tatsächlich sind seit 2014 Strohballengebäude in Kombination mit Holzständerbauweise in Deutschland bauaufsichtlich anerkannt worden. Das klassische Strohballenhaus hat als Konstruktionsbasis einen Holzrahmen, dessen Balken wesentlich dicker sind als beispielsweise die Dachbalken bei einem herkömmlichen Hausbau. Zwischen die Balken werden die einzelnen Strohballen eingedrückt und verdichtet. Diese Technik wird sowohl für die Dachdämmung als auch für den Bau und die Isolierung der Wände genutzt. Der Lehmputz von beiden Seiten sorgt für den Wetter- und Feuchtigkeitsschutz, innen kann auch Kalkputz verwendet werden.
Tiere gehen nicht in das Stroh eines modernen Strohballenhauses, weil es hoch verdichtet ist. Sowohl Insekten als auch größere Tiere wie Mäuse oder Ratten haben keine Chance einzudringen und auch keine Lust darauf, sie können darin keine Tunnel graben. Ein modernes Strohhaus ist, wenn es richtig gebaut wurde, frei von Ungeziefer in den Wänden.
Die dichte Komprimierung der einzelnen Strohballen ist auch Feuerschutz, denn im Inneren der Wände ist kein Platz für Sauerstoff. Wenn die Außenseite der Strohballen Feuer fangen würde, käme es aufgrund des Sauerstoffmangels also gar nicht bis ins Innere der Ballen. Die Holz-Stroh-Konstruktionen, verputzt mit Lehm oder Kalk, leisten 90 Minuten Widerstand gegen Feuer und erfüllten damit die Brandschutzklasse F90. Sollte ein Strohhaus brennen, entwickeln sich durch seine natürliche Bauart weniger giftige Dämpfe und Gase als bei einem Haus, das mit Styroporplatten gedämmt ist.
Aber Stroh schimmelt doch bei Feuchtigkeit! Ja, genauso wie es andere Dämmstoffe auch tun. Ebenso wie bei anderen Baumaterialien ist es eine Frage der guten Planung und Umsetzung, damit Schimmel erst gar keine Chance hat. Dazu gehört vor allem auch zu verhindern, dass Feuchtigkeit aus dem Inneren in der Dämmung kondensiert.


Die Entsorgung von Stroh ist denkbar einfach und im Gegensatz zu so manch anderen Dämmstoffen kann die Natur, wenn das Haus das Ende seines Lebenszyklus erreicht hat, die Strohhalme innerhalb kürzester Zeit zersetzen.
Je nach Erfahrung können die späteren Bewohner:innen viel in Eigenleistung tun. Es macht Spaß, sein Haus mit aufzubauen und die Freude daran dauert danach an. Die eigene Arbeit macht alles kostengünstiger und hinterher kennt mensch sich mit dem Haus bestens aus. Wichtig ist, seine Grenzen zu kennen. Was kann ich schon, was kann ich lernen, wo frage ich die erfahreneren Fachmenschen? Gut aufgehoben ist mensch also für ein Projekt dieser Art in solcher Gemeinschaft.
Zum weiterlesen:
Text und Fotos: chz
