Keine Macht für Niemand: ein Kampfschrei der Jahrzehnte

Im Oktober 1972 ist das Legendäre Album von Ton Steine Scherben rausgekommen. Mit dem Titel „Keine Macht für Niemand“ und einem sehr schlichten, weißen Cover prägte es mehr als eine Generation der deutschen Rockmusik.

In Deutschland wurden bisher zwar engagierte Musiker:innen, wie Bob Dylan oder Joan Baez gehört, doch es gab noch nicht wirklich eine Tradition des deutschen politischen Rocksongs. Das Klima der 68er Bewegung weckte in vielen Musikern den Drang, sich in ihrer Musik mehr über politische Ereignisse zu äußern. Ein Vorläufer dieser Strömung ist die Musikgruppe Ton Steine Scherben, 1970 in West-Berlin gegründet.
Sie gelten als wichtige Pioniere des Häuserkampfs in Berlin-Kreuzberg, vor allem durch die Hausbesetzung des Georg-Von-Rauch-Hauses und das Lied, das sie darüber schrieben. Das gleichnamige Lied Keine Macht für Niemand illustriert gut das anti-imperialistische Streben dieser Jugendbewegung und das Herz der anarchistischen Ideologie.

Für die Regenbogenfabrik, die hingegen in der zweiten Hausbesetzerbewegung in den 80er ihren Ursprung fand, können trotzdem diese Lieder ein paralleles Zeitzeugnis darstellen, durch ähnliche Themen und gleiche Herausforderung. Das Erste, was Christine mir erzählte, was richtig eine Resonanz mit mir und meinen Erfahrungen hatte und dadurch ein kleines Fangirl Moment auslöste, war die Beziehung der Fabrik mit der Band, die mehrmals Konzerte hier gegeben hat. Als ich klein war, hat meine Mutter auf fast religiöse Weise Rio Reiser vorgespielt und in meiner engagierten Studentenzeit lernte ich schnell, dass er nicht nur König von Deutschland war, sondern dass die ganze Band während den 70er Jahren Könige von Kreuzberg, waren.

Ja, ganz genau, die Band ist immer noch ein Stammteil jeder linken Demo und es fühlt sich an, als ob sie nie die Seite der Kämpfer verlassen werden. Der Slogan selbst, der die Macht niemanden verleiht, kommt nach Ansagen von Rio Reiser selbst aus der Anarcho-Zeitung Germania. Fast 50 Jahre nach der Veröffentlichung bleiben diese Worte noch repräsentativ. In der anarchistischen, selbstorganisierten und alternativen Welt findet man sie auch hin und wieder in Fanzines oder Graffitis auf Häuserwänden, so wie der Text durch den Satz „Schreib die Parole an jede Wand“ auffordert.

Referenzen dazu findet man ständig in Moderner Musik: Das Album der Chemnitzer Band Kraftklub Keine Nacht für Niemand ist eine nicht so diskrete Anspielung an das grundbrechende Album der Scherben. In das Lied Hinter Palmen von der Hamburger Band Neonschwarz singt Sängerin Marie Curry „Rio sagt, uns trennt nur die Angst von dem besten Leben“, was das Lied Schritt für Schritt ins Paradies umschreibt. Im Lied Pizza der linken Politband Antilopen Gang benutzt Danger Dan den Satz „Schreibt die Parole an jede Wand“ als Anforderung, Pizza zu verehren, natürlich mit viel Humor und Referenzen zur Militanz.
Bestimmt gibt es auch immer mehr davon, die ich leider selbst noch nicht kenne. Der Punkt ist: Wenn deutscher linksgerichteter Aktivismus irgendwo auftritt, dann ist „Keine Macht für Niemand“ auch nicht weit weg…

Charlotte