Bezahlbaren Wohnraum für alle sichern

Die Überschrift klingt für die meisten wohl nach einem sympathischen Ziel. Bei näherem Hinsehen enthält er durchaus Sprengstoff. Fangen wir mit dem Einfachen an: „Sichern“! Viele alte Projekte – „alte“ bedeutet für mich die 80er und 90er Jahre – sind als GbR, Verein oder Ein-Haus-Genossenschaft konzipiert worden. Inzwischen sind die Häuser bezahlt, der Generationenwechsel steht an. Damit aber gleichzeitig auch die Gefahr, dass solche Häuser privatisiert werden.

Die GbR kann ihr Haus verkaufen. Das ist Bruchteilseigentum in privater Hand. Der nicht-gemeinnützige Verein, wie auch die Genossenschaft können sich per Beschluss auflösen. Gegebenenfalls noch lästige, ideelle, Vereinbarungen der Satzungen werden vorher per Beschluss gestrichen. Nach der Auflösung wird das Vermögen auf die verbleibenden Mitglieder verteilt. Das bedeutet jede/r bekommt eine Wohnung oder eine erhebliche Summe Geldes aus dem Verkaufserlös. Ganz einfach, so eine Privatisierung.

Fördermittel des Landes Berlin? Geleistete Selbsthilfe ehemaliger Bewohner? 30 Jahre aus Mieten getilgte Darlehen? Finanzielle Unterstützung von Freunden des Hauses aus der Gründungsphase? Pech! Das fließt den Mitgliedern zu, die den Verein/die Genossenschaft auflösen – und das müssen nicht unbedingt die Mitglieder der ersten Stunde sein. Auch wer nur wenige Jahre im Haus wohnt und Mitglied wurde, wird „bereichert“. Das Haus ist wieder „auf dem Markt“. Jede/r neue Käufer*in bezahlt den (derzeit sehr hohen) Marktpreis und daraus resultiert wiederum eine Miete an der Oberkante des Marktes.

Die Leute aus dem Wohnhaus der Regenbogenfabrik haben das Gebäude an die Mietergenossenschaft SelbstBau e.G. übergeben. Mit ihr als Erbbaurechtsnehmerin ist die Gefahr einer Privatisierung sehr gering, weil die Genossenschaft aus 28 Häusern besteht, ein Auflösungsbeschluss also viel schwerer zu erwirken sein wird. Durch den Kauf des Grundstücks durch die Stiftung trias ist zudem eine unabhängige Dritte in der Konstruktion, die durch die Zweckbindungsklausel, sowie Vor- und Ankaufsrechte einschreiten kann, sollte doch ein Verkauf geplant sein.

Bezahlbarer“ Wohnraum für alle? Auch hier türmen sich Fragen auf.

„Unsere“ günstigen Mieten sind „gesichert“. Was ist mit vielen anderen Berliner*innen, die auch so günstigen Wohnraum bräuchten? Die Kostenmiete alter Projekte liegt oft unter vier Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Mieten im Neubau oder in renoviertem Altbau auf dem freien Markt liegen über zwölf Euro. Wäre es so undenkbar bei Wohnungswechsel acht Euro zu berechnen?
Von einer solchen Miete würden viele noch träumen. Was der Genossenschaft übrig bleibt geht in eine Rücklage zur Schaffung neuer, bezahlbarer Wohnungen. Oder ist „das Hemd näher als der Rock“ und „Hauptsache ich bin versorgt“. Ich habe so wenig Einkommen, mir muss geholfen werden?

Die Stiftung trias kennt diesen Widerspruch und weiß, wie schnell der Genossenschaftsauftrag „die eigenen Mitglieder zu fördern“ in Selbstversorgung umschlägt. Wenn Jede*r für sich sorgt, ist schließlich für alle gesorgt?! Der Erbbauzins aus dem Grundstück dient den Stiftungszwecken. So kann für ein neues Projekt ein Grund gekauft werden und über einen niedrigen Erbbauzins auch wieder günstiger Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Die Stiftung muss ihre Erträge für gemeinnützige Zwecke verwenden. Insofern stellt sie den Gegenpol zum Genossenschaftsgedanken dar. Eine Polarität, die sich aufs Schönste ergänzt. Der Erbbauzins läuft 99 Jahre und länger? Ja! Das ist so gewollt. Solidarität ist auch eine Frage von Ökonomie und nicht nur von Sonntagsreden und Festschriften. Nur wenn auch Geld fließt, können „alle“ auch bezahlbaren Wohnraum erhalten.

Rolf Novy-Huy, Mitgründer und Vorstand der Stiftung trias

https://www.stiftung-trias.de