Zuerst habe ich sein Buch gelesen, ‚Madonnas letzter Traum‘. Eine ziemlich verwickelte Geschichte, die auf einen klassischen türkischen Roman zurückgreift und den Faden ins Heute weiterspinnt. Der dramatische Höhepunkt liegt im Untergang eines mit hunderten jüdischen Flüchtlingen besetzten Schiffes, den eine Person überlebte.
Dann bin ich Doğan Akhanlı begegnet. Christine von der Regenbogenfabrik hatte mich gefragt, ob ich mich an einer Veranstaltung zur Vorstellung seines neuen Buch beteiligen wolle. Die Idee nahm bald Formen an. Doğan, der Übersetzer und Schauspieler Recai Hallac und ich würden aus dem Buch lesen und Patrick Reerink den Abend mit dem Cello begleiten. Im Anschluss sollte es ein Gespräch mit dem Publikum geben. Doğan ist ein Mensch, war ein Mensch – kaum hatte man sich die Hand zum Gruß gegeben, ein paar Worte gewechselt, schon schien man vertraut. Er strahlte pure Wärme und Freundlichkeit aus. Seine direkte, persönliche Art, sein Humor – ich fühlte mich sofort wohl in seiner Gegenwart.
Der Abend war unglaublich atmosphärisch dicht und emotional. Die Lesung aus dem Buch – sein spielerisch leichter Stil durch die Jahrzehnte zu führen, seine Nüchternheit von einer Katastrophe zu berichten – es war ein Auf und Ab der Gefühle. Eine tiefe Betroffenheit, die aus der Verbindung einer lebendig gewordenen Vergangenheit mit heutigen Tragödien entstand. Die Ägäis und ein Schiff voller Flüchtlinge, Menschen, denen Hilfe und Rettung verweigert wird. Damals und heute. Gibt es denn keine Hoffnung? Doğan hat sich mit so vielen schweren Themen beschäftigt. Dem Genozid an den Armeniern, an den Juden. Er war Realist, kein Träumer. Oder ein realistischer Träumer vielleicht. Ja, es gibt vielleicht wirklich keine Hoffnung. Das ist aber kein Grund den Humor zu verlieren. Und nicht den Mut! Nicht mit ihm. Er versprühte Energie, die ansteckende Kraft eines ‚Trotz alledem!‘.
Wir verabschiedeten uns nach einem langen, aufreibenden, beflügelnden Abend. Ich war davon überzeugt, dass ich ihm irgendwann, bei irgendeiner Gelegenheit, wieder begegnen würde. Das stand für mich ganz außer Frage. Ich habe mich schon darauf gefreut. Nun bleibt die Erinnerung. Sie ist so viel wert.
Katja Zanger
Hier möchte ich noch erinnern, mit welchen Veranstaltungen Doğan in der Regenbogenfabrik unser Kulturleben bereichtert hat. Schritt für Schritt konnte ich entdecken und darüber bin ich in aller Trauer froh.
Christine
2015 Lesung Dogan Akhanli 2016 Lesung Dogan Akhanli 2018 Lesung und Gespräch zu Verhaftung in Granada 2020 Lesung Madonnas letzter Traum
Die Veranstaltung Verhaftung in Granada kann im Internet auch noch entdeckt werden:
https://www.youtube.com/watch?v=elh9HgIYgdE